Die Reise aus meiner Sicht – Gerhard –

EOS liegt im Hafen von Neuhof bei Stralsund, schon halb abgetakelt. Der Wind weht wieder einmal kräftig. Übermorgen sollen Schiff und Mast auf den Lkw verladen werden und dann nach Friedrichshafen reisen.

Gerdi und ich durften eine schöne, lange Reise erleben. Jeder von uns hat seinen Teil der Arbeiten erledigt. Wir waren ein gutes Team, das sich auf mehreren Reisen bewährt hat. Den ersten Monat haben mich Freunde begleitet. Da haben wir gemeinsam der Kälte und dem starken Gegenwind getrotzt. Das war wirklich nicht angenehm. Ich bin trotz Kälte und unpassender Winde für die gemeinsame frohe Zeit dankbar.

Was blieb denn in meinem Geist hängen, das mich besonders bewegt hat?

Da waren die langen Tage, verbunden mit außerordentlich farbenprächtigen Sonnenuntergängen im „hohen“ Norden. Es gab keine nächtlichen Fahrten, weil die Sonne oft um Mitternacht ganz langsam in spitzem Winkel unter den Horizont sank und 3 Stunden später schon wieder in gleichem Rot zu sehen war. Und dieses weiche, milde Licht, etwa wie bei uns an klaren Winterabenden! Auf der Rückfahrt in südlichere Breiten habe ich das lange Zeit vermisst.

Sonnenuntergang auf See (Copy)

Als Ersatz zeigten sich dann wieder die hellen Planeten und Sterne. Mal von den letzten Wochen in den Boddengewässern abgesehen hatten wir gutes Wetter mit ganz ganz wenig Regenstunden.

Als Bodenseesegler musste ich mich erst an den starken Wind gewöhnen. 4-5 Bft sind da ganz normal und in den geschützten Schärengewässern auch kein Problem. Wir benutzten den deutschen Wetterdienst und Windfinder. Die Voraussagen waren wirklich gut und wenn Starkwind vorausgesagt wurde, konnten wir uns immer irgendwo verkriechen.

An den Küsten der baltischen Staaten sichteten wir so gut wie nie andere Schiffe. Viele Kilometer Sandküste und Wald, ab und zu ein Radarmast und jeweils eine Tagreise entfernt eine Flussmündung mit Hafen. Wäre uns die Windrichtung günstiger gewesen, hätten wir angenehmere Segeltage erlebt. So mussten wir den starken Wind meist auskreuzen und ausmotoren.

Dankbar sind wir den Seeämtern für die Kennzeichnung der Gewässer. Schären und Boddengewässern sind mit Untiefen nur so gespickt. Tausende von Tonnen führen hervorragend daran vorbei. An die Kardinalbetonnung mit den gelb/schwarzen Seezeichen mussten wir uns erst gewöhnen. Das war anfangs ziemlich aufregend. Ich bewundere die Segler der Vor-GPS-Zeit. In diesem Untiefengewirr  sein Ziel zu erreichen, geht nur mit genauester Karten- und Steuerarbeit. Wir waren mit Minimalelektronik unterwegs.

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Zwei unabhängige kleine Smartphones mit Navionics- Navigationsprogrammen waren für den fast metergenauen Standort zuständig. Den Kugelkompass haben wir in Finnland ganz schnell sichtgünstig montiert. Man muss immer die Windrose parat haben, sonst nützt die ganze Kardinalsbetonnung nichts. Der geringe Schiffsverkehr ist kein Problem. Nur auf der nächtlichen Regen-Anfahrt nach Sassnitz beim Windpark mit den vielen Lichtern gabs Unsicherheit wegen zwei undefinierbaren Schiffen. Würde ich hier immer segeln, hätte ich ein automatisches Indentifikations-System (AIS) und einen Plotter.

Die schönsten Plätze? Schären sind wunderbar, egal wo man ist. Malskärsören war ein verwunschener Ankerplatz. Eine kleine Insel mit sicherer Bucht weit außerhalb des Festlandes zwischen Finnland und Schweden. Der Wind hat gepfiffen, aber wir lagen ganz sicher am Anker.

Einsamkeit ist auch schön. In den „Hoger Kusten“ in Schwedens Schären gab’s wieder tiefes Fahrwasser und „hohe“ Berge (für schwedische Küstenverhältnisse) bis 350 m Höhe. Eine wunderbare, bewaldete Gegend mit netten kleinen Häfen. Hanko (Hänku) und Uusikaipunki sind schöne kleine heimelige Städte. In Hanko fanden wir alles, was wir schon lange suchten fürs Boot (sogar einen Glasschirm f.d. Petroleumlampe im Salon) und Uusikaipunki bot uns einen der wenigen Fischläden. Warum gibt‘s in Finnland und Schweden so wenig frischen Fisch zu kaufen? Das ist mir immer noch ein Rätsel. Gäffle war ein paar Aufentaltstage wert, des tollen naturnahen Parks, der schönen Altstadt und des Restaurants im 11. Stockwerks wegen.

Die Schweden ankern selten frei. Sie werfen lieber den Heckanker und fahren ganz langsam eine Schäre an, einer springt vom Bug an Land und befestigt das Schiff an Bäumen. So passen viele Boote in eine Bucht. Nach zwei Fehlversuchen haben wir’s auch gerne gemacht. Schweden und Finnen haben statt der Pfähle lieber Bojen in den Häfen. Das ist toll. Man hakt sich mit dem Bojenhaken in der Boje ein und fährt mit dem Bug vor zum Kai. Das ist viel flexibler als Pfähle in den Häfen.

Wir hatten nie stark belegte Häfen oder Buchten. Das gibt’s anscheinend nur in der Hochsaison, und da waren wir oben im Norden, wo eh nur wenige segeln.

Und Probleme? Einmal musste ich ein Abwasserrohr der Toilette entkalken. In Lörrudden, einem winzigen Fischerhafen, gerieten wir bei der Anfahrt in ein Riffgewirr. Ein freundlicher Fischer sah die drohende Gefahr, kam uns mit seinem kleinen Boot entgegen und geleitete uns zwischen den Felsen  in den Hafen. In der Karte ist zwar ein Leuchtfeuer vermerkt, aber der Hinweis auf 2 Richtbaken fehlt.

Ein Segel riss aus Altersgründen, aber die freundliche Segelmacherin hat es sofort repariert. Unser guter Bügelanker ging schon in Estland auf steinigem Grund verloren. Am vorletzten Segeltag liefen wir hinter Zingst beim Verlassen der schmalen Baggerrinne auf weichen Grund. Eine schnelle Wende führte uns nach Sekunden wieder zurück.

Was hat sich besonders bewährt? EOS überhaupt. Sie hat sich wie immer in allen Dingen bewährt. Leider hat die schöne Lackierung der Kajütaufbauten aus Mahagoni gelitten. Die muss im Winter erneuert werden. Der Motor forderte nur einmal technische Hilfe, als zwei kleine Flügel der Kühlwasserpumpe brachen. Ersatz war aber in 20 Minuten eingebaut. Der Volvo Dreizylinder( Bj 2016) lief einwandfrei und wir mussten nie nach aufgegabelten Seilen oder Fischernetzen tauchen.  Und wir beide haben uns, glaube ich, in diesen unbekannten und nicht einfachen Gewässern und auf dem engen Schiffsraum auch bewährt. Manche Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse waren immer bald vergessen.

Schiff und Mannschaft reisen jetzt wieder zurück an den Bodensee. Natürlich werden wir die weiten, schönen Gewässer vermissen. Aber schließlich ist der Bodensee unsere Heimat und auf den See mit den nahen Bergen freuen wir uns.

Reise bis Sassnitz
Unsere Reise in den Norden der Ostsee
Reiseweg-wieder-in-Deutschland
Unsere Reise in den Boddengewässern

2 Kommentare zu „Die Reise aus meiner Sicht – Gerhard –

  1. Gute Heimreise – die schneebekränzten Berge warten auf Euch!

    … und radle mal wieder in der Ulrichstrasse vorbei, Gerhard!

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