GEDANKEN AM GUTEN ENDE
Seit Mai 2009 lebten wir beide nun jeweils ein halbes Jahr zusammen auf dem Meer, zu zweit allein, auf gefühlten 5 Metern Einraumwohnung. Unser fast 40 Jahre altes Segelschiff war ein gemütliches Zuhause, das uns Geborgenheit bot, Verläßlichkeit bei Segeln und Motor, bei viel Wind ebenso wie vor Anker, bei wild schaukeligen Nächten und strahlenden sonnigen Morgen…immer zu zweit…ohne Sorgen…ohne Langeweile…und ohne Streit…
Ein lange Zeitspanne? betrachtet im Zeitraum des Lebens nein, aber in Bezug auf unsere 30 Jahre, die als gemeinsame „Wegstrecke“ zurück gelegt, geteilt, gemeistert wurde, dann doch…Meine Gedanken gehen zurück um 31 Jahre, August 1980, der 1. Segeltörn mit Gerhard, rund Korsika, 6 Monate später Heirat, das 1. Kind, das 2. Gleich 1983 der 1, Familientörn, 3 Monate lang auf der Adria, mit der „Marion“, 8,60×2,50m, dann noch 4 mal bis 1990…Venedig-Korinth–Insel Ägina/ Griechenland und zurück…(inzwischen mit dem 3.Kind!)
Drei prachtvolle Kinder haben wir begleitet, erst sehr innig im Familienverbund, dann stolz erwachsen und selbständig werden lassen…Nun sind sie 30,29 und 23 Jahre „alt“…Alle 3 sehr eigen-ständig, eigen-willig, selbst-bewußt, zupackend, vorwärts strebend, mit Sportsgeist, Künstler, Abenteurer zu Mountainbike, Berg, Kletterfels, Tourenski, Zelt, Fotokamera oder Klavier……. Ein Geschenk für Eltern.
Blicke ich zurück auf die eineinhalb Jahre zu zweit auf unsrer EOS, so bleibt Dankbarkeit, dafür, dieses lang-anhaltende Segeln gewählt und geleistet zu haben, ein tiefes Erleben, zeit-los über Wochen und Monate, über die Jahreszeiten gleitend, durch 2 Zeitzonen reisend, die wechselnden Sprachen, französisch, korsisch, sardisch, italienisch in Sizilien und Kalabrien, griechisch auf den 100 Inseln, türkisch an den grünen Küsten, und 2011 sogar Albanisch… Die so verschiedenen Gemüter und Charaktere, die unterschiedlichen Temperamente der Völker, Leidenschaft, lautes Rufen und Gestikulieren, eher bedächtiges Nachdenken im ambrakischen Golf über Lefkas oder in Albanien…
Und immer ist da der eine, der einzige an Bord, der als Spiegel des Erlebten dient, der meine Stimmungen erkennt, mich sieht, unverhüllt an Leib und Seele, Gemütslage oder überschäumender Romantik bei diesen un-beschreiblichen Morgen und Sonnenuntergängen, den Nächten unter der milch-hellen Milchstraße, der Galaxie zwischen der Un-zahl der hellen Sterne. Keine Nacht ist so dunkel wie die Nacht auf See, fernab jeder Küste, 2500 Meter Wassertiefe unter dem Kiel, einsam, unerkannt und ein Pünktchen menschlichen Lebens auf grenzenlos einsamem Meer.
Gerhard der Verläßliche, der Ausgeglichene, der Zufriedene, auch der Mann fürs Grobe, wenn Technisches am Schiff streikt oder bricht: er hat immer eine Idee. Mein Frühstückskoch, der Helfer beim Zwiebelschneiden für griechischen Lammbraten, deutsche Rindfleischsuppe, asiatisches WOK-Gericht und Griechischen Salat, beim Abwasch nach „klebrigen“ Mahlzeiten wie Kässpätzle(!!!) oder 30 öl-spritzigen Zucchini-Pfannküchlein….
„Nein! Ohne dich würde ich so einen Törn auf 10 Meter Schiff nicht machen!“
Das ist mein Bekenntnis. Mit dir ist es schön.
Wir mögen uns. Wir verstehen die Anders-Artigkeit des andern, wir halten den Freiraum des Partners ein, er geht im Morgengrauen „auf den Berg da drüben“, paddelt an Land zum Einkaufen, auch bei hohen Wellen( und bringt was vom Bäcker mit oder eine deutsche Zeitung!).Er liest weggetreten und hingebungsvoll dicke Bücher, wohl 40 lasen wir heuer! Ich schreib gern lange Briefe von Hand, lese so gerne eine anspruchsvolle „ZEIT“, koche gern aufwendig, spiele Flöte, male ein Aquarell…
Wir genießen unsere Ergänzung in unseren Fähigkeiten. Macht Gerhard den Motorcheck, wär ich hilflos. Spiel ich in einer Ankerbucht Hymnen und Abendlieder, wünscht er sich zum Abschluß „Großer Gott, wir loben dich…“. Dankbar bin ich ihm, für kleine liebevolle Gesten, für ein Lob, eine gesagte Anerkennung, für ungefragten Beistand, wenn die Kraft an der Winsch zu klein ist…Dankbar dafür daß er mir all das Seglerische zutraut und auch alleine „machen läßt“. Verlassen können auf den andern. Seit 30 Jahren…Die aufgeteilten Nachtwachen, in denen ich um 21 Uhr an der Pinne sitze bis um 2 oder 3 in finsterer Nacht, wo er versucht, ein wenig auszuruhen, oder zu schlafen, unterbrochen von Navigationsarbeit.
Kein Zögern. „Du schaffst das, Gerdi. Ich wünsch‘ dir eine gute Wache!“
Und dann ist man alleine. Doch nur im Cockpit…Ich kann ihn jederzeit rufen. Eine intensive Verbundenheit, großes Vertrauen. Dafür bin ich dankbar. Unbeschreiblich dieses Gefühl von Partnerschaft. Intensiver auf dem Boot als an Land….
Nun nahen die letzten 3 Tage. Wehmut…ja. 1,852×2055 Seemeilen=fast 4000 km, in 3 Jahren fast 17000 km Wegstrecke auf dem Meer….Vorbei.
Das Wichtigste daran ist, daß wir es gemacht haben. 3 Jahre lang jeweils die Hälfte des Jahres auf dem Boot, Leben in absoluter Einfachheit, weg von Abgas, Verkehrsl
ärm, Lichtverschmutzung der Nächte, Bequemlichkeiten wie Auto, Waschmaschine, Staubsauger, elektrischem Licht…Abhängig und gut durch versorgt durch die Sonne über die Solarzelle(3/4 qm, 95 Watt, immer ausreichend!), durch Trinkwasser in Kanistern, durch Petroleum für den Kocher, ohne Sessel, Fernseher, Tageszeitung, Müllabfuhr(macht man penibel selber!)
Man lernt, mit dem Nötigsten auszukommen, spart an Verpackung, Licht, aber nie am Schönen wie Porzellan und echten Gläsern, dem täglich 3x speisen, dem Campari oder Ouzo pünktlich um 11 früh, zur „Captain’s hour“(Zitat Gerhard: „Du, mir is schlecht! Dir auch?“
Die 5 Segeltörns mit den Kindern,je 3 Monate auf unsrer „MARION“ nahmen rückblickend 15 Monate ein. Nun sind wir beide für 16 Monate gemeinsam auf der EOS gewesen. Eine wunder-bare Zeit. Keine Minute möchte ich missen…
So hoffe ich, daß die Gemeinsamkeit und Tiefe im Erleben uns erhalten bleiben möge auch im etwas weniger abenteuerlichen Land-Leben. Doch wir werden unsere EOS daheim in der Werft gründlich überholen lassen, die Deckshaut, die Mahagoni-Flächen haben schwer gelitten im UV-Stress der Sonne des Südens. Ein Winter ohne Schiff am See, dafür Skitouren für Gerhard, musizieren für mich? Im Frühjahr wird sie neu erstrahlen und glänzend am Kran in den Bodensee gehievt werden. Auf zu neuen Segeltagen am See, auch darauf freuen wir uns beide. Ein dickes Lob dem tapferen Schiff, ist sie doch bald 40! (Kein Alter für eine echte Hallberg-Rassy Mistral, bei ordentlicher Pflege)
Im Hinterkopf geistern auch noch ein paar Pläne, mit dem Wohn-Mobil erneut aufzubrechen zu einem „Langzeit-Törn“, Fähre nach Kalabrien, Griechenland, Albanien, noch 1x nach Venedig…Träume.
Mit einem Bild möchte ich mich vorerst verabschieden bei den treuen 250 Blog-Lesern. Es hat mir Freude gemacht, die schriftstellerische jour-nal-Arbeit zu tun, zu schreiben, mit Fotos im Bilde so manches fest-zu-halten für später…
Ich gebe gerne nochmals den Rat, sich im Leben 1x,2x die lange Zeit zu nehmen, auszusteigen, zu wagen, zu erleben…
Gerhard nimmt nun ab Nizza und dann am Eingang zum Rhein-Rhône-Kanal je zwei Freunde, Segler alle 4, an Bord für die lange Motorfahrt auf der 850 km langen Flußfahrt mit 135 Schleusen. Marseille, Rhône, Saône, Kanalfahrt bis Mulhouse, Tieflader zum See nach Seemoos bei Friedrichshafen…im November 2011.
Vielleicht hätte ich ja doch selber bei der Flußfahrt mitfahren sollen. Aber so können auch noch 4 andere Sportsfreunde genießen. Allzeit Gute Fahrt.
Danke an Dich, Gerhard.
Willkommen daheim…