Da lebe ich jetzt mittendrin. Es ist keine Ölsardinenfabrik, wie in John Steinbecks fröhlichem Roman, sondern die Werft bei Bozburun. Es wird fleißig gearbeitet, traditionell. Hölzerne Gulets zu reparieren, dazu bedarf es keiner filigranen Werkzeuge. Es genügen Kettensäge, Schreinerhammer, Hobelmaschine, Bandsäge und noch ein paar Werkzeuge und Maschinen mehr. Ja, es wird gearbeitet, an Schiffen. Aufräumen wird nicht als Arbeit angesehen, vielleicht wird es nicht bezahlt? Rund um EOS und 3 weitere Objekte stauben Surfbretter, eine alte Bandsäge, irgendwelche Bootsteile und vieles mehr ein. Mustafa benutzt zum Einschalten der Hallen-Beleuchtung im Verteilerkasten eine Stange. Keine Möglichkeit, den Kasten anders zu erreichen. Staubsauger sind viele da, irgendwo auf einem Haufen alter Dinge. Nachteil: Sie sind kaputt. Aber das Wunderbare: Mitten in einem Berg aus Abfallholz und Spänen entstehen wunderbar geschwungene Schiffe, teilweise über 20m lang. Die Kielbögen, vielfach laminiert mit edlem S- Bogen am Bug und aufgebogenem Steven. Es riecht aromatisch nach Holz und es klingt überall nach Hämmern, Hobeln und Sägen. Werkstattmusik.

Draußen werden die Schiffe an Land gezogen, dann stehen sie da, aus vielen läuft das Meerwasser wieder zum Meer zurück. Kräftige Hammerschläge zeigen, wo der Rott sitzt. Die Kettensäge macht mit den Planken kurzen Prozeß, das schwere Stemmeisen bricht die letzten Reste weg.

Ein paar Tage später ist plötzlich ein Spant ersetzt, dann eine Planke nach der anderen PASSGENAU eingesetzt und mit wuchtigen Hammerschlägen festgenagelt. Mit dem Elektrohobel abrunden, kalfatern, verspachteln. Erstaunlich schnell wird die kranke Stelle wieder verschlossen. Eine traditionelle, wunderbare, kleine Welt der Arbeit. Als Kunde wär’s mir mit weniger Unordnung viel lieber. Unverständlich für die anderen.
Die Arbeiter dort passen dazu. Sie sind fröhlich, lachen gerne, erzählen mir viel über die Arbeit (viele können englisch). Pausen macht man natürlich unter einer abgestützten Gulet, mit Zigarette und Nescafé. Mal spendiert einer eine Runde Döner, dann gebe ich einen Kuchen aus. Eine rabenschwarze Katzen- Großfamilie, 3 Hunde und eine Schar Hühner aller Altersklassen samt Hahn fühlen sich mit uns wohl.

Da ist der Chef, heute im schwarzen Anzug. Gelassen weicht er den Pfützen aus. Er schaut zu wie gearbeitet wird. Arbeit ist wichtig, nicht das Umfeld! Vorgestern hatte er sogar eine Schaufel zum Abgraben in der Hand. Das hat aber nicht so recht geklappt. Sein knappes Kopfnicken zu mir könnte ein Gruß gewesen sein.
Der Transportfachmann: Rote Hose, blaues Hemd, Adiletten. klein und quirlig. Unter seiner Führung verlassen die Boote das Wasser. Wenn er nicht aufpasst, dann droht die Katastrophe. Schrammen am Boot beim Aufpallen gehören hier dazu. Er macht alles mit frohem Lachen.“ I do it today!“, sein einziger englischer Satz. Ich warte aber schon 2 Wochen auf das Ausflicken des Kratzers.

Der Mann am Spill: Die Einheit in Weiß, schwarzgrau. Er führt ein langes, dickes Stahlseil in mehreren Windungen um das Spill, so eine Art Seilwinde, und auf Pfiff des Transportfachmannes schaltet er den Motor zu und zieht den Slipwagen im Schneckentempo aus dem Wasser. Ob er wohl mal seine Kleidung wechselt? Das ölige Seil färbt ab und so dunkelt die Kleidung ein.

Der Taucher und Vorderlader-Fahrer: Wenn der Slipwagen ins Wasser fährt, fährt er im Taucheranzug mit und dirigiert das Schiff zwischen die Stützen. Keine ungefährliche Unterwasserarbeit. Gulets wiegen oft über 100 Tonnen. Seine Hand ragt aus dem Wasser und signalisiert dem Adilettenmann oder dem Steuermann an der Schiffsmaschine, was zu tun ist. Ist das Schiff aus dem Wasser, dann steigt er (mit Taucherbrille und -anzug) auf sein riesiges Fahrzeug und drückt den Slipwagen in die Parkposition. Sein Nachtlager hat er auf einem Sofa im Aufenthaltsraum aufgeschlagen.

Attila: Seit neuem in sauberem, knallrotem Overall mit verwegener Piratenmütze. Gerade schiebt er Bretter in die Hobelmaschine. Mal hilft er dort, mal da, dann wartet er auf Arbeit, zwischendurch ist er ein paar Tage weg. Auch immer fröhlich. Er hatte einen Motorradunfall und sei seither etwas komisch.

Der Fischhändler: Es ist mir nicht gelungen, seine Funktion in der Gruppe zu ergründen. Er gehört nicht zum Stamm, ist irgendwie Gast. Er kommt abends mit seinem Lieferwagen, übernachtet darin und wenn er am Morgen einen Anruf bekommt, holt er irgendwo Fische ab. Er nimmt mich gelegentlich mit in Richtung Marmaris oder Bozburun zum Markt. Ein netter Kerl. Wenn ich in sein Auto steige, gibt’s einen Schuß Kölnisch Wasser auf die Hände. Das soll den Fischgeruch vertreiben.
Und das Dreamteam, Nail und Mustafa: Sie bauen mein Teakdeck auf. Es gibt keine Probleme, das Deck wird 1000 Jahre dicht sein und sie sind die absoluten Fachleute. Sie haben auch wirklich was los. Das ruppige Umfeld setzt sich leider auf der EOS fort. Wie kann man nur arbeiten und gleichzeitig so viel reden? ? Türken reden überhaupt gerne, auch über große Entfernungen hinweg.

Neben „meinem“ Duo arbeiten noch eine ganze Reihe freiberufliche Bootsbauer. Es gibt ja im Winter viel zu tun, weil aus vielen Gulets Wasser rinnt. Im Sommer fahren einige die Gäste oder sie arbeiten an einem Neubau.

Alle haben ihr Netzwerk. Wenn man möchte, erfährt man viel. Wer zu viel für eine Reparatur bezahlt hat… Welche Gulet nichts taugt, welche schnell segelt . Welche einen nächtlichen Abstecher mit gut zahlenden „Reisenden“ in die ganz nahe EU unternommen hat und dass deren Besatzung nun einsitzt.
Abends sitzen gelegentlich kleine Grüppchen zusammen, grillen, trinken Bier, rauchen. Eine fröhliche Gemeinschaft. Alles passt auf eine besondere Art zusammen und lässt schöne Schiffe entstehen. Wäre John Steinbeck hier, sein Roman würde sich um die liebenswerten Leute hier drehen.
Die Erde hat Gott auch aus dem Chaos erschaffen…. „und Er sah an alles, was er gemacht hatte und siehe, es war sehr gut„