GERDI am 29.Mai 2011, Agios Nikolaos, Insel Zakynthos
Lebt man ein halbes Jahr für immer am Boot, ist das Schiff das Zuhause, das einzige „Daheim“ – anders als eine gemietete Ferienwohnung auf La Palma oder ein Hotelzimmer auf Norderney, die Berghütte in der Schweiz, ein weißblaues griechisches Häuschen von Jassu-Reisen oder ein einfaches Zimmer im Olanda hoch über Locarno. Man kann nicht „weg“- und man ist fast täglich „woanders“ als am Vortag. Nach meinen ca. 15 Mittelmeertörns seit 1974 auf der Sindra( kroatische Adria..bis Malta), Gipsy(rund Korsika), Sunrise(Korinth-Brindisi), Marion(Venedig- Aegina-GR) und Eos(Nizza-griech.Inseln-Türkei) kenne ich schon manche der Inseln, Ankerplätze, Häfen des östlichen Mittelmeers- und manchmal sind es Erinnerungen an Zeiten mit kleinen Yachten, wenigen Touristen, nur vereinzelten Tavernen …Der Tourismus hat kräftig zugenommen.
Unsere EOS ist ein gemütliches Schiff, eine 6mx 2m kleine Ein-Zimmer-Wohnung, mit dunkelblauen Ledercouchen, einem großen Klapptisch im Salon. Es gibt Porzellangeschirr, handgetöpferte Tassen, Bierkrügle und Gläser ( kein Plastik!), 8 Schubladen, eine Navigationsecke mit Laptop, einen kleinen Kühlschrank (Strom von der Solarzelle), und eine Spülschüssel mit mechanischer Wasser-Fußpumpe), einen alt-ehrwürdigen (aussterbenden) Optimus-Petroleumkocher, kl. WC und eine 3. Koje im Vorschiff am Bug. Wir haben Fotos an den Mahagoni-Wänden vom Bodensee und den 3 Kindern, einen Kalender mit Bildern von Skitouren, Frühlingswanderungen, Bergtouren, dem Ägäis-Törn bis zur südlichen Türkei…, wir haben viele Bücher für die Muse-Stunden und einen 20 cm hohen Stoß großer Seekarten zum Planen der Reise-Strecke.
Unsere kleine schwimmende, immer schwankende Wohnung halten wir gemeinsam sauber und aufgeräumt, alles seefest verstaut.
Was sich täglich ä n d e r t , ist die Aussicht, sowohl beim Segeln als auch beim Ankommen und „Liegen“, wenn wir die Eos ankern lassen oder sie an einer Hafenmauer mit Leinen „festmachen“.
Ist der Hafen in einer Stadt, ist er am Nachmittag ruhig, wird aber am Abend immer lebendiger. Dann haben wir oft wenige Meter neben uns viele Tavernen und Passanten, die uns fotografieren und wohl auch beneiden. Oft aber ist der kleine Hafen am Ende eines Fischerdorfs, ein nicht touristisch „hergerichteter“ Ort, Sandflächen mit Unkraut, alten Trailern, defekten Fischerbooten, alten Mopeds, rostigen Mülltonne, vielen Angelhaken am Boden, Reste von Leinen und Drahtseilen, Abfall, Dosen, dazwischen Katzen aller Farbkompositionen, herrenlose Hunde(nie kastriert), Tauben, Möwen, sicher auch Ratten des Nachts…Aber es wirkt für einen Segler nicht abstoßend, denn es ist ein Rest naturbelassener Natur, ein Zusammenleben von Tier und Mensch, von alten einsamen Männern mit ihrer Angelschnur, stoisch in ihrer Ruhe, und den Seglern, ein Stück Freiheit und Ungebundenheit auf diesen abgelegenen Flächen, es riecht nach Fisch und manchmal auch nach Brot in einem Backofen… Da denke ich so manches Mal an das Buch von John Steinbeck: „Straße der Ölsardinen“, eine wunderbare „Fallstudie“.
Nähern sich neue Yachten, springt Gerhard an Land und übernimmt die Leinen, hilft beim Belegen an Land. Man macht small talk, italienisch, französisch, meist englisch. Woher? Wohin? Lebt ihr am Schiff? Charteryacht? Urlaub? Wie lange? Mal fragt einer nach der „Seekarte vom Kanal von Korinth“ oder nach einem Schiffsausstatter, einer Werkstatt, nach Benzin, Wasser, Supermarkt. Die Segler sind eine große Familie. Noch fehlen die großen Motoryachten im Mai.
Am Morgen weckt uns die Sonne, wir klettern über die Badeleiter am Heck und schwimmen im meist kristallklaren Meer, herrlich, türkisblau, Fische, Seesterne am Grund. Gerhard bereitet täglich das Frühstück vor, brüht mir 1 Tasse Filterkaffee oder Pfefferminztee auf, stellt sich eine Kanne grünen Tee hin, es gibt frische Blumen am Tisch, Joghurt mit Honig und Zimtzucker, dann sitzen wir wie am eignen Balkon – nur mit 360° Panorama.
Vor uns Kirchtürme, rote Ziegeldächer, blau gestrichene Fensterläden, üppige rote Geranien, cyclam-rosa Bougainvilea, weiße Mäuerchen, blühender Oleander, Orangen- und Zitronenbäume mit leuchtenden Früchten und gleichzeitig parfümartig duftenden Blüten.
Ist man am Abend in einem Hafen, wird es nach der Siesta-Zeit immer lebendiger. Mütter mit Kinderwagen, sich neckende Teenager, flanierende Touristen, gemächlichen Schrittes, suchend nach Tavernen, vor denen eifrig um sie werbende Kellner lauern: „Italian?“ fragen sie mich meistens, wegen der dunklen Locken. „English? German?“ versuchen sie es beim bärtigen Gerhard. Dann folgt die ganze Menü-Liste vom griechischen Salat über Oktopus, Kalamar, Gyros, Souflaki vom Grill, Moussaka, fresh fish bis Kleftiko und Stifado, was Lamm- und Rindsgoulasch ähnelt, mit viel Nelken, Lorbeer und Zimt.
Nach 23 Uhr ebbt das Gewoge ab. Ruhe kehrt ein. (Im Juli /August wird das ganz anders sein in Italien!!! Da geht’s um 11 erst richtig los mit Disco-Musik und Karaoke-Gesang aus vollem Rohr..)
Sind wir vor in einer einsamen Bucht, dann dreht sich die EOS lautlos um ihren Anker, die Perspektive ändert sich ständig, mal offenes Meer, mal K&u
uml;ste. Dort umgibt uns unberührte Natur, Felsen, undurchdringbare dornige Macchia. Früh krähen um 6 die Hähne, Schafe blöken, auf den Felsen meckern Ziegen, und Zicklein springen übermütig zwischen Bock und Geiß, in braun, weiß, schwarz.
Dann sitzen wir am Abend unter Sternen. Ich suche meinen geliebten „Skorpion“ mit dem flackernden hellen Antares, träume unter dem Großen Wagen, spiele mit der Flöte Abendlieder. Dann ist die Welt in Ordnung. Und die Schuldenkrise der Griechen ist genauso weit weg wie Angela Merkel und der Atomausstieg, Ghadafi und Berlusconi….