114 sm in 25 Stunden – Überfahrt mit Nachtfahrt – Bulgarien-Türkei + Bosporus
14.Sept Sonntag: VARNA. Gerhard startet früh um 6, Kurs Süd… Hohe Dünung. Regen nach 4 Wochen ohne , zuletzt in Cernavoda! 17°, fast deutsches Wetter. Genug Wind, immer 4-6 Knoten Fahrt…die 40 sm sind um 15 Uhr geschafft. NESSEBAR/Bulgarien. Einzige Stadt bulg. Weltkulturerbe.
Müde sind wir, aber „es muß sein“: Spaziergang nach dem braven Blogschreiben in den Touristenort. Es hat stark geregnet, also Pfützen, nur wenige Touristen unterwegs, fröstelnd. Wir sind die einzigen Gäste im leeren windigen Lokal Neptun am Hang nach all den engen Gäßchen mit Bar an Bar, Souvenir-Shops, mit kitschigen Aquarellen, die immer nur diese typischen Häuslein zeigen: unten Naturstein, oben dunkelbraune Balken wie im Tessin…

Montag,15. Sept.: Wir starten gleich früh nach 7 Uhr. Gleich hinter der Hafenpier rollen die langen hohen Wellen der Dünung ran, Ölzeug, Schwimmweste, Life-Belt. Alles Routine. Aber es ist für uns nach der wochenlangen Flußfahrt die erste „richtige“ Meerfahrt mit hohem Seegang, starker Dünung und es ist dann doch rein körperlich ein kleiner Kampf. Müde macht es mich- aber um 12 mittags ist es geschafft: Hafen SAREVO– unser letzter in Bulgarien. Wir wollen eigentlich 1 Nacht bleiben, aber der Meteorologe von der Van-de-Staad-Yacht und seine sympathische Frau EMILIA warnen vor Regen und Starkwind… Mich lockt die Waschmaschine!! Nix wie hin, um halbsechs ist alles wieder an Bord. Gerhard hat den Zollbeamten gebeten, uns doch noch am Abend ausklarieren zu lassen aus Bulgarien… Im Nu ist meine Gemüsesuppe fertig, 19 Uhr eiligst essen, 19.30 Leinen los. Es gibt kein Pardon: wer ausklariert hat, muß binnen 30 Min. den Hafen verlassen, da sind die Bulgaren eisern!!! Abspülen, Ölzeug an, Rettungsweste, alle Luken dicht- Ziel Bosporus/Türkei!!!
Kaum Segel gesetzt, und schon packt die erste geifernde Gischtwoge die EOS und wirft sie kräftig auf die Seite… Enormer Seegang, Eos schlägt wild, 40°-Winkel… Schräglage. Gerhard setzt an der Seekarte den Kurs ab, prüft die Lichter, stellt am GPS den Kurs ein, ich stell den Autopiloten an und verdrück mich unter die schützende Sprayhood, wenigstens regnet es nicht auch noch, aber die Salzbrecher stürzen über das Vorschiff und platschen auf die Cockpitbank, ein Krach auch innen, denn das Mahagoni ächzt und quietscht. Gerhard vertraut mir und legt sich auf die schräge Steuerbordkoje… Meine Nachtwache also von halbzehn bis 2 Uhr- wie ein eingespieltes Team, seit 33 Jahren…Mal anluven, mal Segel kräftiger durrchsetzen, mal abfallen und Genua Lose geben… Wenig andere Schiffe seh ich in der klaren Sternennacht. Über dem leuchtenden Toplicht, das den Windpfeil anleuchtet, strahlen Millionen von Sternen: wir segeln unter der Milchstraße!! Schräg achteraus der Große Wagen, als wollte er sich bald auf dem Meer niederlassen so weit unten, über mir die Cassiopaia, das Wagner-W am Himmel J, das auch daheim nachts überm Dach steht. So viele Sterne, die man nie sieht wegen der Lichtverschmutzung in unsrem Industrieland. Trotz des wilden Seegangs und des Lärms der anrollenden ans Schiff donnernden Wellen genieße ich diesen Sternenhimmel, denke auch an Erika, die nun im hohen Norden über den Lofoten ganz andre Sterne sieht…

Mühevoll und anstrengend ist das Sitzen, denn ich werde herumgeworfen, kann nur die ausgestreckten Beine mit den Gummistiefeln einspreizen in den Niedergang, festhalten geht nur an der Großfallklampe…Mein Lifebelt ist eingeklinkt an einem rund ums Schiff an Deck liegendes Drahtseil… Leuchtfeuer an der Küste rechts, auch rot aufleuchtende Windflügler, Schein naher Plötzlich rote Feuerflammen achteraus an Backbord…über der Kimm! Unheimlich erhebt sich der große orange-rote Halbmond aus dem Meer: wie ein Croissant am schwarzen Nachthimmel… und wie schnell er heller wird und seine Bahn weiterzieht, im Bogen nach oben…
Kurz vor 2 erhebt sich mein Käptn, lobt die tapfere Sturmwache, macht Seekarteneinträge, notiert Wind, Standpunkt… Dann löst er mich ab- aber „liegen“ kann man das nicht nennen, auch wenn ich mich vertrolle im Bug. Die Bordwand, auf der ich bei der Schräglage zu liegen komme, vibriert und erbebt von den anklatschenden Wogen… Schläge gegen mein Knie. Erst als ich im ersten Morgenlicht aufstehe, ein Glas Wasser trinke, Gerhard begrüße und mich im Salon auf die Steuerbordkoje lege, kann ich mal eine halbe Stunde schlafen… Die See rollt, die EOS auch…Um 7 mach ich mir Joghurt mit Zimt und Leinsamen und 1 Apfel, für beide rühre ich unruhigen Schiff 2 Tassen kalten Nescafé an…
Hier die Bilder: Klick
Unser GPS zeigt an: Noch 3 Stunden, wenn der Wind bleibt.
An Steuerbord nun zum ersten Mal die TÜRKISCHE KÜSTE!! Das Handy piepst: Turkcell, jede SMS kostet nun 39cent!!!1 Min. Telefonat 1,49 –ankommende 69 cent -und 1 MMS abgehend 1,69 €…
Und dann schauen wir in die Meerenge: der Bosporus! Dahinter die 14 Millionenstadt Istanbul…
Über den Felsen ragen am Hügel 2 riesengroße hohe neue Brücken-Pylonen auf- die 3. Brücke über den Bosporus, eine Autobahnbrücke! Himmelhoch ragende Kräne ziehen an Drahtseilen Bauteile nach oben oder senken sie ganz langsam ab… Es ist 11 Uhr am Morgen. Wir sind am Ziel: der BOSPORUS! Nach 114 Seemeilen in 23 Stunden…
An Steuerbord die erste Moschee. Der Muezzin ruft…Unser Warteplatz naht: Hafen POYRAZ, Türkei. Hier wollen wir ankern, im Hafenbecken, mit der gelben Einklarierungsflagge unter der roten türkischen mit Halbmond und Stern! Sanft ebben die Wellen ab, viele Fischer… Sonne. Ich bade das 1. Mal im Salzwasser. 1.Mal Schwimmen im Schwarzen Meer, 24° Wassertemperatur.. Ein spätes Frühstück im Cockpit… Glieder entspannen… Aussicht genießen. Am Abend grillen wir am Heck … Am fast leeren Sandstrand einige Türken, stehend im Meer. Hunde bellen, ein Hahn kräht. 2 Kühe grasen vor einem Lokal… Ruhe …Wir sind glücklich, eine wichtige Etappe ist gemeistert. Wir werden gleich bis Cannakale vor den Dardanellen weitersegeln und dort einklarieren. Dann noch 3 Wochen Westküste, blau-türkisene Buchten, Inseln… mit Gottes Hilfe dürfen wir auch das wieder genießen.
Die Karte der Reise: Hier