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Tiefer Winter hier, aber bei uns würde man sagen: Schöner Sommertag. 16°C Luft, 21°C Wasser. Es heißt, das sei der Winter hier. Also nur wesentlich kälter als im drückend heißen Sommer. Die glasklare Luft und das tiefblaue Meer könnten nicht schöner sein, aber kein Gast (außer mir) schätzt das. Nicht ein Sportboot, das ankert oder im Hafen liegt. Die meisten Restaurants haben geschlossen und die Geschäfte auch. Schade dass EOS nicht schwimmt.


Heute haben die Bootsbauer den neuen Himmel unterzogen. Er sieht gut aus An den Rändern sind lackierte Leisten. Es ist schon eigenartig. Die Leute haben nicht das Empfinden für sehr saubere Arbeit. Sie sehen die Notwendigkeit nicht. So muss ich immer wieder sagen, wie man das und dies macht und wie ich es auf keinen Fall haben möchte. EOS sieht jetzt sehr gut aus. Heute sollte lackiert werden, aber es bläst ein so starker Nordwind, dass die Oberfläche staubig würde.
Das neue Teakdeck macht sich sehr gut und die Plicht soll übermorgen fertig sein. Die Beschläge sitzen wieder an Ort und Stelle.
Dennoch kostet diese Arbeit starke Nerven. Die beiden Bootsbauer arbeiten fleißig …aber unglaublich schludrig. Ihr Werkzeug liegt überall rum. Die Muttern und Scheiben, die sich im Inneren gelöst haben, bleiben mit allem Dreck liegen, wo sie hinfallen. Natürlich haben sie jetzt viel Zeit mit Suchen verbracht und ich muss immer hinterher sein, dass kein verzinkter oder unpassender Ersatz verbaut wird. Die viel zu kurzen Schrauben für die schwere Ankerwinde am Schiffsbug vorn haben nur 2 Windungen in der Mutter gefasst. So werden manche Arbeiten zweimal ausgeführt-aber nur, weil mein wachsamer Kontrollblick die Fehler entdeckt…. Bei ihrem sehr günstigen Angebot haben sie nicht mit deutscher Pingeligkeit gerechnet. Wenn nicht noch etwas Unvorhergesehenes kommt, dann hat sich die Arbeit hier aber schon gelohnt, zumindest finanziell (1/3 v. deutschen Preis) und das Boot ist fertig im Mai ’15 zum Weitersegeln!!
Wäre ich nicht vor Ort, hätte uns im Frühjahr wohl eine böse Überraschung erwartet. Das ist nix für Leute, die nach 4 Wochen Ferien wieder zur Arbeit müssen.
Dennoch bin ich gerne hier, die Leute sind fröhlich und angenehm und ich tauche in eine andere Welt der traditionellen Holzbootsbauer ein. Da entstehen in Hinterhöfen 30m lange Gulets, Spanten werden zu eleganten Bögen geformt und 6cm dicke Balken legen sich in vollendeter Passform darüber. Die Luft ist erfüllt von Hobelsirren, schweren Hammerschlägen und lärmenden Kettensägen. EOS wirkt etwas filigran in dieser Umgebung. Neben der EOS entsteht gerade eine über 40m lange Gulet. Ich habe hier noch nie jemanden mit einem Plan gesehen. Irgendwie geht alles nach Augenmaß. An einer anderen Gulet fehlt plötzlich die hintere Hälfte. Sie wird verlängert. Gut dass ein Teil der Leute Englisch spricht. So erfahre ich viel über diese kleine aber doch bedeutende Gemeinschaft in deren Mitte ich sein darf.
Ich habe jetzt 3 spannende Zeiten erlebt: Die Donaureise, dann das weite Schwarze Meer und die Segelwochen an der schönen Türkeiküste entlang und jetzt die Zeit hier in der Werft in Bozburun. Nur abends ist’s einsam. Der Ort ist 3 km entfernt. Kein Geräusch erfüllt die Werft und mein Internet- Guthaben ist erschöpft. So mach ich mir etwas Gutes zum Essen, süffle Rotwein und lese oder höre ein Hörbuch.