28 Von SANTORIN nach SIKINOS, Montag 27. Sept.10, GERDI
Westwind ist gemeldet, 4-5. Erst wollen wir bleiben, dann aber lockt es uns doch: Gegen Mittag setzen wir Segel, nach 30 Minuten „wie üblich“ 2 Reffs im Groß, 5-6 kn Fahrt, Ziel Folégandros im Westen von Santorin. Meist segeln wir „gegenan“ am Wind. Sportlich. Sonnig. Schön. Die EOS freut sich über ihre Freiheit nach den Hafentagen. Ich drehe ein 8 sec-Video, als wir die Küste von Santorin entlang segeln: Die roten Lavaerde-Schichten, die Sandküste mit den wie Skulpturen anmutenden senkrechten Erosionsmustern, die mich an Vatis Filme von den Buddhas im Bahmian-Tal in Afghanistan 1960 erinnern. Blauwasser-Segeln. Herrlich. Aber der Wind dreht und wir ändern den Kurs und steuern auf Insel Siknos zu. Um 17.30 gehen wir längsseits im kleinen Hafen. Beschaulich. Still. Abendspaziergang den Hügel hoch. Ein Mythos-Bier in der Taverne. Spielende Kinder am Sandstrand, 3 Enten. Kein Tourist. Die Fähre lädt einige Menschen und Autos und einen Tieflader mit vielen Bausteinen aus. Beschaulich. Herbst. Nachsaison. Nur 1 Segler hinter uns: Schweden, die gleich „Ah, eine schöne alte Hallberg-Rassy!“ rufen.
Vorm Einschlafen mache den ich den Vorschlag, am nächsten Morgen früh hoch zur Chora, der Oberstadt, zu fahren. Mit dem Bus um 7.30.
Ruhig ist die Nacht. Nur die 4.30-Uhr-Fähre schaukelt uns mal wach…Die Fender quietschen an der Hafenmauer…
Zauberhaftes Sikinos am frühen Morgen
Joghurt mit Honig, Orangensaft. Dann laufen wir los. Leider kommt der Bus nicht nach Plan . Die Frau vom Supermarkt ist schon wach. Sie ruft mit dem Handy den Hafenmeister von oben. Der holt uns freundlicherweise mit dem etwas klapprigen Fiat ab, (2×1,40 € – billig wie der Bus) und fährt uns hoch hinauf in die Chora. Weiß, schneeweiß die kleinen Häuschen, die sich zusammenkuscheln am Berghang. Alles noch ganz ruhig, unberührt, ein Zauber liegt über dem Dorf. Wolken geistern über die flachen Dächer, als wir die engen Gässlein und Treppen zum Kastell und Kloster hochsteigen. Kein Mensch unterwegs. Gefegte kleine Plätze, rot-leuchtende Geranien, unser Weg nur weiß bemalte und umrandete Natursteinplatten und –Stufen, jedes Haus ein Kleinod, weiße Häkelgardinen hinter den Scheiben, liebevoll blau lackierte Sprossenfenster, himmelblaue Türen und Balkongeländer, niedrige blaue Latten-Törlein als Eingang. Wie Puppenhäuser, und kein Souvenir-Shop stört das Idyll. Auf engstem Raum schmiegen sich die Studios an den Hang, Feigenkaktus mit üppigen Früchten, gelbleuchtende „Schwarzäugige Susanne“(Busch-Sonnenblumenart), Kaskaden von pinkfarbener Bougainvillea, Weinlaub an den kleinen Terrassen, gackernde riesengroße Hühner in kleinen Felsnischen mit Drahtgitterdach, ein krähender stolzer Hahn.
Dann legt sich der köstliche Duft von frisch gebackenem Weißbrot über das Bergdorf. Ab 9 erst gibt es Brot zu kaufen.
Also kehren wir bei Anna’s Bar mit dem auffälligen Namen „ X-treme“ ein, gleich neben der weißen Kirche, der Sanitätsstation, der Nationalbank. Dimitri ist der erste Kunde mit einer Tasse Kaffee, er spricht Englisch, fuhr Jahre auf einem Cargo-Schiff zur See, Brasilien, die ganze Welt, jaja, früher.
Bei Espresso und einem heißen Nescafé (mit festem kaltem Milschschaum!) erzählt uns die junge Wirtin von der Insel. Sie selbst stammt von IOS, ja, die Liebe führte sie nach Sikinos. Ihre Bar ist 12 Monate geöffnet, aber im Winter ist wenig Betrieb. Das riesige vielfältige Alkohol-Angebot könnte mehr Kundschaft beglücke.Es gibt 200 Einwohner. Das Wasser kommt aus Athen, mit dem Schiff!
In die Schule mit Blick übers weite Meer gehen 3 Kinder in die Grundschule und 4 in die höheren Klassen! 3 Lehrkräfte haben sie hier! Eine andere Welt! Klassen mit 33 Schülern kann sie sich nicht vorstellen als Inselkind.
Ruhe. Stille. Eine Katze lässt sich von Dimitri herlocken: „Pssspssspssss- ella, ella!“ Um 9 macht die Bank auf. Wer den Arzt oder ein Rezept braucht, wartet im Freien vor der offnen Tür in der Morgensonne. Nur keine Eile. Alle haben Zeit. Wir auch.
Bei unserer Wanderung hinunter zum Hafendorf, eine knappe Stunde, sehen wir, dass die Oliven ihre Farbe von Grün nach violett wechseln in der Septembersonne. Nach Monaten mit leerer Blumenvase am Schiffsheck – das Wasser wäre in der Hitze viel zu heiß gewesen für Blumen – schneiden wir zum ersten Mal wieder ein paar Zweige ab, beim Tamarindenbusch mit roten kleinen Beeren und vom Eukalyptus.
Zurück an Bord . 11.30 Uhr: Leinen los.
Ein friedlicher Segeltag ohne Reff und hohe Wellen. Sonnen an Deck. Lesen. Um 3 sind wir in der Ankerbucht. Kristallklares Wasser. 10 m Tiefe bis kurz vor die Felsen. Und neben uns senkrecht die schroffe Felswand. Die verheißt Fallböen für die Nacht!
Ankern unter dem Dorf
Gerhard
Unser Ankerplatz vor Folegandros
Wir kommen mit guter Fahrt von der herbstlich ruhigen Insel Sikinos und steuern eine Bucht auf der Insel Folegandros an. Der Wetterbericht sagt Windstärke 5 Bft, Südost für die Nacht voraus, ungünstig für den Inselhafen. Besseren Schutz sollte eine Einbuchtung etwas nördlicher bieten. Karteninformation: Steilküste südlich, Wassertiefe unter 10 Metern. Ankergrund unbekannt. Beim ersten Ankerversuch in 12 m Wassertiefe schleift der Anker als Gerdi mit 2000 Umdrehungen des Motors die Kette strafft. 2. Versuch an anderer Stelle: Diesmal graben wir den Anker nur mit 1000 Upm ein. Die Kette strafft sich. (Den Winkel zwischen Kette und Wasser merke ich mir. Sollte der Wind auffrischen kann man beruhigt bleiben, bis dieser Winkel nicht unterschritten wird). Wie zu erwarten wechselt der Wind unter der Felswand dauernd die Richtung und bleibt harmlos.
Hoch über uns das Dorf
Uns bietet sich ein gewaltiger Anblick: Weit entfernt die Inseln Sifnos und Paros, auf der anderen Seite eine fast senkrecht aufragende Felswand und ganz oben unmittelbar an der Wand das Inseldorf, die Chora 100 Meter geradezu über uns. Ein Bauherr hat sein Haus sogar über die Felswand hinaus gebaut!
Gerdis Flötenlieder hallen wieder. Das Wasser ist klar und tiefblau über dem Kiesgrund. Wir trinken Kaffee und ich rudere mit MICRO EOS zu einer Quelle am Ufer, um unseren Wasservorrat zu ergänzen. Wie diese kleine fast baumlose, kahle Insel Wasser spendet ist mir rätselhaft.
Die Quelle am Ufer
Gerdi zaubert pikanten Nudelsalat mit frischem Gemüse, Unter den Lichtern des Dorfes über uns genießen wir das Abendessen im Cockpit mit einer Dose „Effes Dark“. Bis um 22.30 Uhr strahlen 2 Scheinwerfer von hovh oben die Felswand an bis hinab zum Meer.
Der Wind frischt auf, deshalb schlafe ich draußen und schalte den Ankeralarm ein, der eine Ankerdrift meldet. Stockdunkel ist die Nacht, unheimlich jetzt, die Lichter des Dorfes tanzen einmal nach rechts und einmal nach links. Der Mond geht auf, die Felsenkonturen nehmen Gestalt an, graue Schatten in der Wand. Gegen Mitternacht schwächelt der Wind und um 2 Uhr nachts schläft er ganz ein. Die Wellen plätschern gegen die Felsen und EOS wiegt sich sanft in der Dünung. Die unteren Sterne des Sternbildes Orion stehen direkt über den Dorflichtern und immer wenn ich die Augen öffne, sind sie ein Stück nach rechts gerückt. Ein tiefer Friede liegt nun über diesem Platz. Gottes Schöpfung kann wunderbar sein.
Um 6 Uhr graut der Himmel, leichte Wolken ziehen auf, dann nehmen Himmel und Landschaft Farben an. Um 6.45 Uhr explodiert der Himmel in tiefem Rot.
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