39. BILDERBUCH-SEGELN AN DER SÜDKÜSTE SARDINIENS

Gesamte Reise auf See.doc
GERDI
Bucht Porto Pino,
Sanddünen, Sandstrand, 13. August 2011
13. August. Es ist der Abend des 50. Jahrestags des Mauerbaus* in Berlin( *damals war ich 13 und in der kleinen Molkerei, wo Vati Urlaubsvertretung machte, war ein… Fernseher!!!! Wir kauften den 1. nach dem Studium, 1970! Daher kenne ich die Live-Bilder vom Bau an der Bernauer Straße, am Brandenburger Tor: Stein auf Stein, 3 m hoch, die runde Röhre oben drauf und viel Stacheldraht-  und die nicht einschreitenden amerikanischen Panzer…) .
Wir liegen vor Anker. Da ruft jemand von der Nachbarcrew: „EE-OOO-S!!? Mangare con noi??“
Ah, wir sind eingeladen auf dieitalienische Nachbaryacht: „RELAX“, Skipper Roberto. (Liegt sonst auf Insel Tavolare. und sie wohnen am Lago di Garda, wo sie ein zweites Segelschiff haben…) Sie hatten meine Abendlieder auf der Flöte belauscht …und sie lieben die Schiffsform der EOS. Sie kennen uns schon von Carloforte.
Da unser Beiboot schon ohne Luft seefest verpackt an Deck verzurrt ist, schwimmt Gerhard einfach hinüber. Herzlich der Empfang. Roberto holt mich schwungvoll mit dem eignen (motorisierten) Tender ab. Wir haben ein recht munteres Gespräch zu sechst, erst auf Italienisch, (Roberto kann weniger Englisch als die Gattin und die Gäste), dann auf Englisch+ dolmetschen. Es gibt dunklen schweren Rotwein, und einen goldgelben, süßen Dessertwein, einen typischen Sizilianer, dürfen wir auch noch probieren zum Apfelkuchen, himmlisch. Als Dankeschön singe ich noch alle Verse des deutschen Abendliedes von Matthias Claudius vor, denn es paßt soooo gut zum Mondenschein, – und der jüngere Mann an Bord hat mal in Nürtingen/D gearbeitet und versteht durchaus Deutsch.
„Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar…! Seht ihr den Mond dort stehen….so sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen….weil unsre Augen sie nicht sehn…!“ Er erklärt es den Eignern kurz, und er singt sogar mit!….Und das vom deutschen, schwarzen Wald, dem Nebel über den Wiesen und die Fürbitte für den kranken Nachbarn übersetzen wir ins Italienische! …I complimenti…“Mi piace!“
KURSWECHSEL
An jenem Abend beschließen wir, auch nach dem Wetterbericht von ROBERTO, umzukehren und nun doch nicht die Westküste hoch zu segeln, Der Nordwind würde uns oft auf die Nase blasen und wir müßten kreuzen und wohl die doppelte Strecke benötigen…Also „ZURÜCK“  und noch einmal rum ums SÜDKAP, danach die Ostküste hoch, Richtung Arbatax…
Liest man das Bordbuch auf der linken Seite, wo ich die „Stimmungsbilder“ beschreibe, und Gerhard rechts die navigatorischen Tatsachen samt Wind und Uhrzeiten…) liest man nun täglich :
„Türkisblau das Meer, glasklar das Wasser, wunderschön!“ Aber es steht da auch: „Sehr schaukelige Nacht…!“ Das heißt „kaum Schlaf“. Man rollt in der Dünung seitlich heftig nach links und rechts, das Schiff ächzt und reißt, die Ankerkette knarrt, übel diese Schlingerbewegung. Im Mittschiff mag es noch erträglicher sein, aber im Vorschiff!?? Früh ist man dankbar, wenn der Anker hochgezogen wird und die EOS segeln darf…egal, mit welcher Schräglage.
Nordöstlich des Inselchens TUARREDDA ankern wir…ein Zauber, das leuchtend grünblaue Meer….Lesen. Genießen. Abends koche ich im Wok Ratatouille und Klebreis.
Auch am 16.August: WONNESEGELN. Mit Groß und Fock bei halbem Wind und 5 kn Fahrt zeigt sich unser Segelschiff von der besten Seite. Mittags gibt’s kühlschrank-kalte Nektarinen und Honigmelone in eleganten Schnitzen, um 4 dann Kaffee mit den lockerleichten Taralucci-Keksen mit der eingeprägten Mühle und dem Wasserrad 🙂 . Um 6 steuern wir die touristisch so heißgeliebte  Bucht vor dem Hafen von VILLASIMIUS, Bucht Pira, an und ankern auf glasklarem Wasser. Traumparadies für Urlauber. Viele Ankeryachten. Viele französische und spanische Flaggen. Nun auch mal wieder rote englische Fahnen auf großen blitzenden weißen Motoryachten mit blau illuminierten Treppen am Heck und leider oft stundenlang laufenden Motoren, was die Nachtidylle in einer Mondnacht doch stört 😦
ROLLE RÜCKWÄRTS…ins Wasser!
Am Morgen paddeln wir mit unsren Rucksäcken raus zu den runden Felsen, klettern hoch zum Fußweg unter den schmucken Chalèts, laufen rüber zum MARKET. Ein fescher junger „Marktschreier“ ruft mit dem Megafon zwischen den Verkaufsregalen frohgelaunt und wie ein ambitionierter Animateur die Sonderangebote des Tages hinaus. Witzig! Die Einkaufsliste ist heute lang, Melone, Nektarinen, Schweinefilet, Steaks, Birnen, 1 l  Menta-Sirup, Nudeln, Zucchini, Gurken, Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Milch, Butter, Käse, un eto Parmaschinken( 100 g), Joghurt, Mehl, Eier, 6 Zweiliterflaschen Wasser, 6 Bierdosen, Nüsse,…Gerhard nimmt das ganz schwere, ich schlichte Obst, Gemüse, Fleisch, Eier… stoßfest in den Rucksack und huckle ihn auf. Dann geht’s zurück über die Felsen zum Schlauchboot. Dummerweise geb ich den Rucksack nicht weiter an Gerhard im Boot, sondern laß die wohl 8 kg am Buckel. Schön blöde!! Ich setze den rechten Fuß über den dicken Schlauchbootring außen, halte mich mit der linken Hand am Fels, mit der rechten Hand am Sitzbrett, das klinkt sich aus, ich bin waagrecht im Hangelstand, Gerhard versucht das Schifflein am Fels zu halten, aber es schwingt meerwärts aus..! Ich hänge …will nicht am Ufer loslassen, denn dann wäre sofort der ganze Rucksack im Wasser… er zieht mich bereits nach unten. Verdammt, das wird ne Rolle rückwärts, denke ich noch! Ge
rhard:“Los, schwing dich rüber.“ „Ich…kann nicht…!!!“ Im letzten Moment springt ein Urlauber herzu und hält mich am Arm..ich steige mit dem linken Bein beherzt ins Wasser, finde Grund auf glitschigem Fels, der Rucksack zerrt an den Riemen, bleischwer vom Meerwasser. Außen war nämlich noch ein Frottéehandtuch verpackt, das sich vollgesaugt hat…also nochmal 2 kg…
Wir müssen nun doch lachen! Grazie, molto grazie, und ab geht’s mit Paddelkraft. Ich sitze in einer Meerwasser-Pfütze, die Ledersandalen, der Rucksack, das Kleid – und natürlich die Geldscheine…patschnaß. Ich muß an unsre Hochzeitsreise im Faltboot 1981 denken, schwanger im 5. Monat, 2 Wochen auf der kroatischen Krka, einem Fluß, da bin ich nie „reingefallen“´…Und an Erika und Jojo, die die „Eskimo-Rolle“ im Kajak sicher elegant beherrschen. Mama hat wieder mal die Rolle rückwärts nicht geschafft. Wie am Gymnasium beim Abitur…:-)
Übrigens war nichts kaputt, auch nicht die Eier, die ganz obenauf „lagen“, keine Milch zerdrückt, keine Tomate gequetscht. Ich brauchte aber 1 Stunde, um alles zu „waschen“, den Rucksack zu wässern in Süßwasser und alles unter dem Großbaum in Sonne und Wind zum Trocknen auf zu hängen…
Dann gab’s ein Gläsle Campari. Ich war froh, daß ich mir beim Festhalten nicht die Skischulter nochmal ausgerenkt hatte. Wär just der fast gleiche Ort gewesen wie 2009, als ich in CORALLO die Treppe runter gestolpert war, was Verletzungen und Klinik-Ambulanz in Cagliari zur Folge hatte…
18.August. Ruhige Nacht. Ganzer Tag Wonnesegeln!  3-4 bft stetiger Wind. Ich steuere stundenlang frei von Hand die Pinne! Es ist wie ein Rausch. Wie damals am Chiemsee, 1974, als ich den Sport erlernte. Der Auto-Pilot darf mal Pause machen.
Mittags mariniere ich das halbe Schweinefilet, in 2 mm Scheibchen geschnitten, in asiatischer Teryaki-Sauce, Knoblauch, Thai-Curry. Nachmittags gibt’s zur Kaffeepause weich-zarte in Rauten geschnittene Honig-Lebkuchen mit dünnem Zuckerguß, fast etwas „weihnachtlich“ gewürzt, eine Spezialität Sardiniens; und ich denke laut: “ Gerhard, wenn du Anfang November von der Rhône-Rhein-Kanalfahrt mit der EOS heimkommst, ist gleich St.Martin…Da täten uns diese Lebkuchen grad schmecken:-)“
Nach 8 Stunden fast atemberaubend schöner Segelei vor Küsten, Felsen und kleinen aus dem Meer ragenden Inselchen unter Naturschutz fällt der Anker vor dem Sandstrand des kleinen Hafens von CORALLO. Wir bleiben draußen. Es hat Dünung, Schwell läßt das Schiff schlingern und schwanken. Nachdem 2 Gasflammen brennen, wird es tropisch heiß in der Kajüte.. Trotzdem siegt mein Optimismus: Ich schnippele die Pfefferminze, hobele 1/2 Zucchini, schlage Eier auf und rühre Pfannkuchenteig mit Orangenaroma und Zimtzucker. Backe Küchlein. Schneide Gemüse für das Thai-Curry, brate Zwiebelringe und Knoblauch in Sesamöl,brutzle je 2 Minuten portionsweise die Filet-Streifen braun, danach das Gemüse, inzwischen ist der Basmatireis gar. Es wird ein recht verschaukeltes, pikantes leckeres Abendessen im Cockpit.
Poetisches Zitat aus der „Zeit“ vom 4. August, das wunderbar zu den Nächten in Sardinien paßt:
Der Mond geht auf wie eine orangefarbene Lampe, und man meint einen harmonischen Klang zu hören, einen hellen, weichen, warmen Akkord, der einen versöhnt mit der Hitze des Tages.
Das Meer verliert sein leuchtendes Türkis, wird blau, dann rötlich
5 Uhr früh über der Altstadt von Antalya, die kaum ein All-inklusive-Urlauber besucht:
… der Himmel  in einem sagenhaften Rostrot getönt…Bevor der Tag die Nacht übernimmt, hat diese Stadt ihren zärtlichsten Moment…Ausdruck wohliger Erschöpfung…bevor die unbarmherzige Wärme wieder zuschlagen wird….
Nun ist der 19.August, nach wild verschaukelter Nacht, 1 Std. Schlaf, segelten wir nach ARBATAX. Bis bald!

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