Gerdi: 27.-29. August 14
Verlassen der Stadt Galati bis Lipowanerdorf Mila im Delta
Nach windiger Nacht wie am Meer, mit Gebraus und Gewell Frühstück um halbacht. Wir wollen alle Restarbeiten erledigen, damit wir endlich segeln können.
- Alle Schoten und Fallen einscheren, Segel setzen. Mastrutscher ölen
- Grünes Markisen-Dach, das Bimini überm Cockpit, montieren
- Blaues 6m-Schattendach neu fixieren.
Um 13 Uhr mit dem Taxi zum Dedeman, einer Art OBI am Stadtrand. Verblüffend groß das Angebot an Bau-,Reparatur-, Metall+Holzsachen, Closchüsseln, Whirlpoolbadewannen, Gardinen, Gartenartikeln, Klebstoffen,nur das Sicaflex, das Gh. sucht gibt’s nicht . Aber was fast Gleiches. Ich suche Fliegengitter und Klettband-selbstklebend. Einer der jungen Burschen kann Englisch, und er ist sehr bemüht zu helfen: „Wait a second!“ Und schon spurtet er los und findet was wir suchen. Auch die 2 Aluschienen mit 90°-Winkel. Damit wird Gh. die Befestigung unsrer Solarzelle am Stahlrohr am Heck verstärken. Super.
Weiter geht’s zur Wäscherei, alles frisch, herrlich nach 6 Wochen nur Handwäsche! Besonders die Bettbezüge und Frottéelaken sind „wie neu“ und die verschwitzten T-Shirts der heißen Wochen mit über 40° sind nun wieder „rein“. Gerhard werkelt mit Handbohrer, Metallsäge, Schraubenzieher und Lineal im Cockpit und am frühen Abend ist die Verstärkung fertig. Prima. Ich hab inzw. Hosengummis in 30 J. alten Jerseyhosen erneuert, Knöpfe nachgenäht, Shirts geflickt und die 5 kg wieder verstaut!!! Am Abend gehen wir auf ein kaltes Starenpramen-Bier aus Prag und eine Pizza ins Marco Polo und bald zu Bett.
Am Donnerstag, 28.August Leinen los in GALATI bei fast deutschen 22° und wolkigem Himmel…erstes Mal SEGELN seit 11.Juni (am Bodensee):„Heiß auf die Segel“- zum 1. Mal nach 2400 km Motor-Reise mit dem zuverlässigen VOLVO! Wir segeln unter Genua und das recht flott: 12-15 kmh! Die Ukraine und Rumänien teilen sich den Fluß, die Grenze verläuft – unsichtbar!- in der Mitte der DONAU. Links viele Wachtürme, Soldaten mit Feldstechern und Gewehren, Kasernen, Stacheldraht…. Ich schreibe an Anya in Kiew eine SMS. Eigentlich wollten wir uns auf ukrainischem Boden treffen, ihr Urlaubsort Odessa wäre nur knapp 200 km weit weg… Meine Brieffreundin seit 1992!
Um 11 Uhr haben wir die Grenze von Moldawien erreicht, die nur 700 m lang am Donauufer verläuft. Der Wind nimmt zu, wir drehen ein Reff ins Vorsegel, setzen den Motor ein wegen der Böen und Kurven.
Zitat aus der SMS in die Heimat: „2400 km gefahren auf der DONAU! Hatten deftige 6 Windstärken, weiß von Gischt die Wellen im braunen aufgewühlten Fluß. Stadt und Hafen RENI hinter uns…Das Delta ist nah.“ Wir flüchten nach 56 km um 16 Uhr in einen Donauarm hinter einer kleinen schmalen Insel Nähe Isaacea, ankern da auf 10m Wassertiefe, die Bäume stehn im Wasser, drüben ein Kran, 4 Männer- ohne Arbeit. Ich spiele ihnen ein Abendkonzert auf der Blockflöte. Die Wolken verziehn sich… Abendröte. Der Wind bleibt, wir liegen geschützt. Am Ufer Bienenkästen in Reih und Glied… Rinder…Schnakenfreie aber kühle Nacht. 2. Decke!
Freitag, 29.Aug. 2402 km auf der Donau gefahren
Um 9 Anker auf. Wolkenlos, kaum Wind. Um12.25 biegen wir erstmals in den SULINA-ARM ein! Ab jetzt beidseitig Rumänien. Der Ukraine kehren wir den Rücken, die Nachrichten über die Waffengänge im Osten sind beunruhigend… Links Lehmufer, ca. 50 cm trockenfallend nach dem Hochwasser. Als ich Nudelsalat mache, sieht Gh. ein !!Segelboot (ohne Mast) am Ufer, hochgeholter Schwertkiel, toll. 2 Männer an Bord, einer spricht etwas Deutsch, er handelt mit GEWÜRZEN! Begeistert sieht er in meine üppige Gewürzschublade: ah, Fuchs, Ostmann- kennt er alles. Er sei oft in Deutschland. Seine Gewürztüten haben nur den Aufdruck „ALEX“! Er kommt an Bord, bietet uns himmlischen roten Wein aus Schattenmorellen an, läßt mich sein köstliches Chili dulce und Chili hot probieren, sehr aromatisch und fruchtig. Auch die Kräutermischung für Fischsuppe und Borscht schenkt er mir. Und seine Emailadresse: alexandrescu_danaie@yahoo.com
Weiter geht’s, die Kräne, Schlöte und Windflügler von TULCEA sehen wir schon, aber wir müssen noch eine 180°-Kurve fahren, wie an der Mosel! In Tulcea (sprich: Tultscha) muß Gh. die Permit, die Erlaubnis zum Befahren des Sulina-Arms durchs Delta, kaufen.
EOS flirtet mit dem Donau-Grund…
Es ist kein Ponton frei, keine Möglichkeit, irgendwo im Fluß anzulegen, Ankern geht nicht: 25 m Wassertiefe. Wir versuchen es bei einem Motorschiff, auf dem uns ein Mann herwinkt, längsseits zu kommen. Ich fahre weit links von einer kleinen roten Boje, keine Ahnung, was sie bedeutet… Ich übergebe die Pinne an meinen Käptn, denn er will die EOS seitlich an das Dickschiff anlanden… Ich mache die Vor- und Heckleine klar, da schlingert unser Schiff und ich sehe braunes Wasser rings um uns…Auf Grund gelaufen…bei 20 m Wassertiefe??? Kunstvoll kann Gh. die EOS wieder freibekommen. 2. Versuch. Der Mann zeigt uns, daß wir ganz nah bei ihm entlangfahren sollen. Gerhard steuert langsam hin…und wieder sitzt der Kiel fest. Kein Freimotoren klappt, kein Gewichtverlagern. Ein Motorboot kommt heran, nimmt unsere Heckleine, schleppt uns frei… Neben uns ein großes 150 Personen-Ausflugsschiff, alle an der Reling und zugucken, wie eine deutsche Segelyacht nicht mehr weg kommt. Der Kapitän ruft: I must go now. I cannot wait!!
Da drehn wir ab und steuern die Tankstelle und dann einen Ponton am Ende der Stadt an, der mit den Lettern Marina wirbt-…Irre wildes Gewell durch unzählige Vollgas fahrende Motorboote und all die Ausflugsschiffe ins Delta…8 Fender und 2 Motorradreifen sichern die BB-Seite der EOS, es quietscht und schabt und schaukelt bei jedem Vorbeifahrer…Wir wandern den nahen Hügel zum Superlior-Denkmal mit dem Obelisk und geflügeltem Löwen hoch und genießen die grandiose Panorama-Aussicht. An der Promenade unten hat man die Plattenbauten in Pastelltönen bemalt, Springbrunnen, Museen mit Fisch- und Vogelwelt. Heute ist ein „FEST“: die Ruderer feiern und nach der Jazzsängerin gibt’s Reden in Englisch, serbisch und rumänisch. Zurück am Schiff keine Schnaken!!! Zum 1. Mal können wir ohne Schnakennetz im Cockpit sitzen, die Sterne am Firmament bewundern und dem roten untergehenden Sichelmond zuschauen. Erika sieht nun den gleichen im hohen Norden am Meer in Norwegen. Und sie sieht sogar grüne Nordlichter!!!
Samstag, 30. August: TULCEA-Mila 23
Nach 9 Aufbruch, bevor all die Ausflugsboote und schnellen Flitzer uns durchschütteln. Nach einer guten Stunde biegen wir in den SULINA-Arm und ins Delta ein. Ab hier wird nur noch in Seemeilen gemessen, das Schwarze Meer ist nur noch 45 cm tiefer als wir. Anfangs etwas kanalartig… Aber als wir um 14 Uhr abzweigen in den Delta-Arm Dunarea Veche sind wir wie verzaubert von der Schönheit der urwüchsigen Natur…Kleine Gehöfte mit niedrigen Dächern aus Reetdach, denn Schilf gibt es in Massen hier. Graue hochbeinige elegante Kraniche stehen im Schilf, picken rasend schnell ins Wasser nach Schlangen, wie uns ein Einheimischer später erklärt. Es gäbe viele davon. Störche bilden große Wolken am Himmel, erst weiß das Gefieder in der Sonne, dann schwarz alle beim Fliegen der Kurve. Lang die roten Beine, kaum ein Flügelschlag. Runde fast stehende Vogelschar, nie so gesehen. Sicher sammeln sie sich, um zu den Dardanellen und nach Afrika zu fliegen. Geheimnisvoller Vogelzug. Faszinierend. Hinter gelben Seerosenknospen staksen silberweiße Reiher, aber wenn ich den Kranich fotografieren will mit seinem Augenfleck und dem roten Punkt, dem schwarzen Halsstreifen und der weißen Linie am Brustgefieder…husch fliegt er auf, und ich hab ihn WIEDER NICHT erwischt.
60 km bis ins Paradies gefahren
Wir fahren unter Motor langsam und staunend bis zum Lipowanerdorf MILA und machen bei Seemeile Nr. 23 an einem behäbigen Motorschiff fest. Überall Fischerkähne am Ufer, kleine Lokal-Terrassen auf einfachen Pontons. Dahinter liebevoll farbig bemalte kleine Häuser der Lipowaner, Holzverzierung an den Giebeln, himmelblaue Fensterkreuze, leuchtend grüne sauber getünchte Wände, üppiger Blumenschmuck an den einfachen Sandpfaden, in den Gärten Tagetes zu Hauf, Rosen, meterhoher weinrot blühender Rhizinus (früher gab es riesige Felder hier), Sonnenblumen… eine Pracht. Wir kaufen in 2 winzigen Läden ein, Tomaten gibt’s keine. Da vermittelt uns ein engl.sprechender Rumäne eine Frau, die für uns in ihrem Garten einen Eimer voll erntet. Ganz frisch, große Ochsenherztomaten, kleine knallrote Tomaten, 2 Paprika. So lecker wie vom Biobauern. Als wir –von Hand gezogen- die Glocke der kleinen Kirche läuten hören, gehen wir dem Klang nach. Drinnen wird das Abendgebet vorbereitet. Alte Männer nur. Im Allerheiligsten der 2-Ton-Singsang eines Popen, im mittleren Raum bei den vielen Heiligenbildern bekreuzigt sich ein Alter mit langem weißen Bart3x schlägt er mit großer schwingender Bewegung das Kreuzeszeichen, dann zündet er feierlich mit einer handgezogenen Kerze die vielen Öllampen an. Ein 2. Alter kommt, auch er mit dem bunten Gebetsgürtel um die Taille über einem Hemd. Vorne nun 3 Männer im Wechsel. Dann tritt eine Frau (Rock, Jacke, Blumenkopftuch) an das Pult, das sie in die Mitte getragen hat und beginnt aus der uralten Bibel zu lesen. Neben uns liegen auf der einzigen einfachen hellblauen Holzbank diese zauberhaften Gebetskissen, Patchwork aus Damast und Seide. Die Frauen dürfen wohl nur im hintersten Raum der Kirche beten…Tief beeindruckt laufen wir die schmalen Sandwegle zurück. Roter Sonnenuntergang. An Land Musik wie in Griechenland… Wohl eine Hochzeit.
Hier die Flusskarte bis Sulina, Klick
und hier alle Bilder: Klick
Wir trafen uns in Sulina und wurden direkt auf das Boot eingeladen. Hatten dort eine wirklich nette unterhaltung!
Wünschen euch noch eine Super reise mit bestem Wind und Wetter!
Beste Grüße von den Kanufahrern!