
Gerdi, am Donnerstag,28. Mai 2015
Ich bin im türkisblauen Meer geschwommen und gönnte mir zum Abduschen einen Liter Süßwasser aus dem Kanister, der am Mast hängt. Die ersten warmen Sonnenstrahlen lassen die Ufer hell aufleuchten. Gerhard ist an Land mit dem Schlauchboot und holt frisches warmes Brot. Bald werden auch die Spät-Aufsteher mit ihren Dingies zum Hafen rattern…Die Nacht war ruhig, aber noch ist das ganze Deck gelbbraun besprenkelt von gestern, als der Gewitterwind von den Bergen im Norden plötzlich um 180° drehte, das Schiff wie ein wendendes Auto herumriss und der Scirocco heftig wehte, dass es eine unruhige wilde Karussellfahrt am Anker gab und lebhafte Wellen… Am Morgen war alles voller feinstem Sahara-Sand, Luken, Teakdeck, das ehemals weiße Kajütdach, Baum, Fock…GELB bespritzt vom Regen.
Warum wir noch nicht los segeln? Unser guter alter zuverlässiger Volvo-Motor, der uns 80 Tage brav die ganze lange Donau runter bis ans Schwarze Meer brachte, braucht 3 neue Ventile, Einspritzdüsen. Die müssen in Istanbul bestellt werden und nun liegen wir „manövrierunfähig 10 Tage vor Anker am schönsten Ort der Türkei :-). Aber wir haben Zeit und Geduld. Seit 2 Tagen schwojen wir deshalb schon vor dem Fischerdorf Bozburun, was übersetzt „Graue Nase“ heißt, denn die Felsen des vorgelagerten Kaps sind schroffe, senkrecht aufragende graue steile Felsen, die mich an unsre Fränkische Schweiz bei Eggloffsstein oder an die Sächsische Schweiz an der Elbe erinnern.
Traumhaft umgibt uns eine Kulisse wie gemalt: grüne Hügel, bräunlich-graue Felsen, ziegelrote Walmdächer, mit ockerhellen Felsplatten verbrämte Hausmauern, Geranien, Palmen, leuchtende Hibiscusbüsche, rosa Wolken von Oleander, weißer duftender Jasmin. Beim Einkaufen glänzen koralle-rot die kleinen Blüten der Granatapfel-Bäume, die im Herbst die 8cm-großen glänzenden Granatäpfel tragen werden, Symbol der Fruchtbarkeit mit ihren 740 saftigen knallroten Beeren im Innern. Die Lokale sind noch leer, nur Osman’s Place ködert die Briten, die oft mit 12 gleichen Charterbooten mit ihren roten Fock-Persennings am Hafenkai festmachen wie in Reih und Glied angetretene Soldaten. Bei den 2 Metzgern hängen in einem mannshohen Kühl-Schrank (hinter der leeren Auslage der Glasvitrine, es gibt NUR Frischfleisch) die kopflosen Körper der Schlachttiere: Lamm, Hammel, Bulle in riesigen Teilen…

Am Morgen erwacht man mit dem Blöken der Schafe und Lämmlein, frei m Fels hüpfend, dazu das raunende Zweiton-Gurren der Ringeltauben. Der Immam ruft 5x am Tag mit immer neuen Melodien seine Suren vom erhabenen Allah. 4 gewaltige Lautsprecher hoch oben am Muezzinbalkon des Minaretts lassen den arien-ähnlichen Gesang in alle Himmelsrichtungen erschallen. 2 Minuten wohl. Wenn ich auf der Flöte christliche Morgen- und Abendlieder spiele, kennt er den anbetenden Text ja nicht. Aber die Briten klatschen schon mal Beifall, freuen sich über Greensleeves, Yesterday oder ein slawisches Schlaflied. Gestern erklang vom englischen Nachbarboot ein spanischer Flamenco, klassische Gitarrenmusik. „It’s your turn!“ bat er mich um Fortsetzung des Abendkonzerts an Bord. Danach bekam ich von Gerhard eine Überraschung: „Komm, jetzt fahren wir an Land und gehen zum Döner Salonu Köfte essen!“ Da gehen nur Einheimische hin, gleich an der Moschee. Er hatte auch Ezme, dieses chilischarfe Mus aus frischen Zwiebeln, Peperoni und Petersilie.
Die glänzenden, klebrigen Leckereien vom Imülleri, dem Konditor, haben wir noch nicht probiert. Backlava usw., schwimmend in Zucker, Honig und Öl, winzige Röllchen mit Pistazien in dünnstem Teig.
An Bord gab es Suppe mit restlichen Perlgraupen, mit Zwiebel-Knoblauch-Ingwer angebraten, scharf gewürzt mit India-Curry, Sojasauce, Sambal manis und Chiliflocken. Früh überraschte ich Gerhard mit der wieder gefundenen Erdnußpaste zum letzten eignen Quittengelee. Am Abend werde ich die frischen, grünen Bohnen (Fasulj-wie im Griechischen!) in 5 min. im Drucktopf zubereiten.
Köstlich schmecken- wie im Mai 2011 in Sarande/Albanien am Markt- die reifen kleinen, weißfleischigen Nektarinen. Neu für uns sind in der Schale gerösteten in grobem Salz „panierten“ Mandeln. Da unser nur 2 Jahre junger Kühlschrank trotz neu eingebautem Thermostat wieder nur im Dauer-Lauf funktioniert (bei 1 Solarzelle zu viel Stromverbrauch), leben wir wieder mal „ohne“ gekühlte Butter, Milch, Joghurt und trinken warmes Efes-Bier, denn in der Bilge hat es ja auch Meertemperatur, also 25°C.Gerhard sucht in Marmaris nach einer Art Zeitschaltuhr, die automatisch nach 1 Std. das Gerät abschaltet. Uns genügt eine Temperatur von 15°.
Wir genießen die ruhige Zeit hier sehr: herrlich ist der Rundumblick, auf Hügel und die kleinen Häuser an deren steilen Hängen, die vielen schmucken Gulets in Reih und Glied, der menschenleere Strand (nur 1 Wohnmobil parkt da, Erika!) Die kleine runde Insel mitten in der Bucht und die beiden Untiefen sind ein pittoresker Ausblick, es gibt keinen italienischen Musiklärm, nur Ruhe, … Nur wenn ein Gulet ausläuft, brummt der gewaltige Dieselmotor seine männliche „Ansprache“ und die oft 50 m lange Kette knarrt, wenn sie wohl 75m lang in den Schiffsbug eingesaugt wird. Fischer führen ihre kleinen Holzboote heim, mit frischem Fang. Nachts wölbt sich ein un-vorstellbar dunkler Himmel über uns und zeigt die unermessliche Fülle von funkelnden Sternen, über unsrem Mast steht neben dem Top-Licht in dieser Jahreszeit der Große Bär. Venus und Jupiter strahlen hell, ein Halbmond ziert dieses göttliche Himmelsgemälde. „Weißt du wieviel Sternlein stehen an dem großen Himmelszelt? Gott, der Herr, hat sie gezählet…“ spiele ich sanft auf meiner neuen Hohner-ECHO-Mundharmonika.
