Gerdis dankbarer Rückblick auf fünf Monate auf See im hohen Norden
Rück-Blick… -nach unserem 13. Segel-Törn, seit wir uns kennen…: 1980 Korsika, 1983 bis ’90 fünf mal je 3 Monate die Adria runter und rauf mit den 2 und 3 kleinen Kindern, nach Erikas Abitur nun je 6 Monate Törn: 2009-10-11 Rhône, Nizza, östl. Mittelmeer bis Marmarameer und retour, 2014-15-16 ab Regensburg die Donau abwärts in 80 Tg., Schw. Meer, Türkei, Ägäis, Albanien, …Sizilien… Marseille, Rhône Mulhouse…. 2019 Stralsund, Baltikum, Finnland, Schwedens Schären, Rügen. Das sind zusammen 5 ganze Jahre Leben auf See….


Neuhof, Hafen, bei Stralsund, 5. Okt.2019
EOS liegt vertäut am Ponton im Seglerhafen Neuhof, 5 sm vor Stralsund. Es windet lebhaft, es dröhnt in den Böen. Eos zerrt an ihren 4 Festmacherleinen. Ob sie noch nicht genug hat vom Meer und dem Starkwindsegeln, Gischt und Ankernächten? Eos verdient ein dickes Lob, immer war sie zuverlässig, tapfer in allen Wetterlagen, auch der Volvomotor arbeitete vorbildlich, nur ein kleiner Riss im Vorsegel war zu flicken. Welch ein Glück.

Mein Blick ruht auf meinem Mann. Dankbar. Ich bin stolz auf ihn. Mit fast 72 hat er zum 13. Mal eine wunderbare Törn-Planung hingelegt, mit Seekarten, dicken Hafenhandbüchern, Seestrecken-Beschreibungen, hat das Wetter beobachtet, mit Navionics am Smartphone die schwierigen Pfade durch die Untiefen Finnlands und Schwedens und die deutschen Boddengewässer erkundet und als Richt-Strahl vorprogrammiert, den Motor gewartet, die Elektrik repariert…
Mir blieb, mich vertrauensvoll auf Käpt’n und Boot zu verlassen, exakt zu steuern, gewissenhaft die Segel im Wind zu beobachten und 1000e von Pricken, Boje und Seezeichen zu sehen und zu achten. Lange Gespräche, auch mal lange stille Abende über einem Buch und der ZEIT. Am Morgen richtete Gerhard immer das Frühstück (mit einer Tasse Filterkaffee(!) für mich und 1 Liter Grüntee). Abends war es meine Aufgabe, für uns ein leckeres selbst gekochtes Essen zu zaubern; bei jedem Wetter gab es frisches Gemüse, Salat und Gerichte aus Wok, Pfanne und Schnellkochtopf. Das gemeinsame Einkaufen in Dörfern und Städten war immer ein Erlebnis, zu Fuß km-weit mit den Rucksäcken.
An schönen Morgen oder stillen Anker-Abenden erklang meine Flöte- zum Erstaunen der Zuhörer an Land, Fischer, Urlauber in den rot-weißen Holzhäuschen. Verzaubert saßen wir in den hellen langen Nächten in Finnland und Schweden im Cockpit und es wurde nie dunkel, kein Stern zeigte sich am lichtblauen Himmel.



Beeindruckend war die lange Nachtfahrt von Finnland Riposari nach Vaasa und von Vaasa hinüber nach Schweden (Ümea): um 23 Uhr sank die Sonne als roter Feuerball auf den Horizont, um dort zu rasten. Nur 3 Stunden später erhob sich die Sonne auf dem flachen Bogen und ging im Hellen leicht östlich wieder auf… in einem rosa-türkisblauen Farbenmeer.
Wie aufregend war der Moment, als Gerhard nach 3 Monaten wieder die Venus, den ersten Stern über unsrem schwedischen Felsankerplatz über den Baumwipfeln entdeckte.
Waren unsere zwei ersten Versuche, das Boot direkt an einem Felsen festzubinden noch erfolglos, gelang uns das bald mit Heckanker und Landleinen und wir freuten uns über mehrere wundervolle Felsbuchten, wo die EOS mit Seilen um runde Schären-Felsen und Birkenstämme angebunden direkt am Ufer lag und wir durch den Wald wandern konnten..
Die 25 Stunden lange Überfahrt vom schwedischen Karlskrona bis Sassnitz mit Nachtfahrt in kabbeliger See, unaufhörlicher Schaukelei und Regen und schlafloser Freiwache bleibt unvergesslich. Geschafft. Zu zweit, im Team…
Fragt mich wer, wo es am schönsten war, fällt mir die Wahl schwer. Tallin? Die 1000 grünen Waldschären in Finnland? Die klaren hellen Nächte und die rosa Schärenfelsen in Schweden? Die freundlichen Menschen im hohen Norden? Greifswald! Die Backsteingotik an Häusern und Kirchen? Matjes am Kutter? Stralsunds Kirchen? Das Ozeaneum? Die unvergleichlichen Sonnenuntergänge in der Glewitzer Wiek?



Erbaulich waren für mich die Festgottesdienste in großartigen evangelischen Kirchen: im Dom zu Helsinki mit 2 Chören und Orchester, ein Taufgottesdienst in Stockholm, ein Taufgottesdienst in der Unistadt Kalmar, ein Orgelkonzert in Greifswald, der Erntedankgottesdienst in St. Nikolai in Stralsund, ein Motetten-Chor-Konzert in Stralsunds Marienkirche.
So bleibt ein tiefes Glücksgefühl nach diesem Törn auf See. Ein inniger Dank gilt Gott, der uns auch mit über 70 noch einmal ein halbes Jahr Leben auf dem Meer geschenkt hat, bewahrt, reich beschenkt und gesegnet.
