3. Unter Segeln zur Westküste von Euböa

Porto Rafti, vor Anker 25. Mai 2010

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Mit einer weiteren Hallberg Rassy, der „Albatros“,  liegen wir nach einem sanften Nachmittagssegeln und herrlichem leichten Wind im Wellenschutz sicher hinter einer kleinen Insel. Das Meer leuchtet wie ein Smaragd grün-türkis im plätschernden Flachwasser am Felsensaum…

Ein Ausflug in die Politik:

2009 segelten wir ein halbes Jahr im Mittelmeer und  4 Monate davon in Griechenland,  und nun sind wir voraussichtlich wieder für weitere 6 Monate Gäste dieses Landes, das inzwischen von der EU aus dem finanziellen Disaster geholt werden muss.

Zeitung und Fernsehen berichten von Griechen, die über ihre Verhältnisse leben und jetzt, da die Geldvorräte des Staates aufgebraucht sind und Sparmaßnahmen beschlossen werden, sich erlauben, zu demonstrieren und zu streiken.

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In den Häfen, die wir anlaufen, habe ich nicht den Eindruck von großem Reichtum und wenig Arbeitswillen. Die Leute fahren ganz normale Autos, sind nicht teuer gekleidet und Häuser und Wohnungen deuten  auf keinen Luxus hin. Wir stellen fest, dass alles etwas langsamer abläuft und Pausen häufiger sind als in unserem Land üblich. Dafür kann man an 6 oder 7 Tagen einkaufen.

Uns fällt auf, dass in den Banken nicht nur das Geld streng bewacht wird, sondern auch die dort angestellten gleichfalls. Vor vielen Banken stehen kugelsichere Wachhäuschen und in jede Bank wird immer nur eine Person nach Aufforderung und wenn gleichzeitig eine weitere Person die Bank verlässt, durch kugelsichere Schleusen eingelassen. Wiederholte Anschläge sind der Grund dieser Maßnahmen. Kann es sein, dass nicht Einbrecher Geld stehlen wollen, sondern brutal eingestellte Landsleute mit den Verhältnissen unzufrieden sind? Weisen nicht die Verwüstungen gerade von Banken in den letzten Wochen darauf hin, wo eine Ursache der klammen Finanzlage liegen könnte, für die auch die weniger Reichen finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen? Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier die klamme Lage ihres Landes deutlich erkennen und auch persönliche Einschnitte in Kauf nehmen. Aber sie klagen die Beamten und Wohlhabenden in den Großfirmen und die Politiker an, die ihrer Meinung nach Ursache des jetzigen Zustandes sind oder durch Vertuschung und Korruption zusahen, wie der Bankrott sich anbahnte. Wenn wir in einen Hafen mit großen, sauberen, weißen Jachten einlaufen, dann habe ich von deren Eignern doch gelegentlich den Eindruck von Hochnäsigkeit. Das ist aber eben nur ein un-gutes Gefühl, und eher selten.

Die liebenswerte Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft aber ist unverändert, der Monteur nimmt mich im Auto mit und erledigt spontan seine Arbeit, 8 € will er, und das ist eigentlich nur der Preis für den Dieselfilter.

Gerhard

Pfingstwoche, 26.Mai 10, Nähe Rafti: GERDI

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Ruhig blieb die Nacht. Am goldenen Morgen ein Bad im Meer…6 Stunden seidenweiches Segeln und 1. Sonnenbad an Deck mit einem Buch. Nach 16 Uhr fällt der Anker hinter der  Insel, die Bucht ein Juwel von blau und türkis bis hellgrün! Einige pompöse weiße Villen zwischen Pinien. Harzduft liegt in der warmen Luft des Nachmittags…

Ich koche 750 g Gulasch aus reinem Rindfleisch, so wenigstens entziffere ich mit Hilfe des Alphabets im Wörterbuch das Artikelschild mit den griechischen BuchstabenJ! Bandnudeln, Ruccolasalat mit reichlich Dill (der hier pfundweise gebündelt verkauft wird), Honigmelone.

Ein traumhaft roter Sonnenuntergang begleitet mein Flötenspiel, das mit Echo vom Inselrücken zurückkommt. Erste Sterne. Gelb die helle Venus. Gerhard studiert erstmals den neuen scheibenförmigen Sternatlas… Überm Mast steht der Große Wagen, und dann geht der Mond auf, fast voll schon.

Lautlos die Nacht, kein Wellenschlag, nur 1 Frosch quakt am Ufer. Auch der Morgen ist voller Zauber. Ich flöte „Die güldne Sonne“ und „Es tagt der Sonne Morgenstrahl, weckt alle Kreatur…“ und „jeden Morgen geht die Sonne auf und die schöne,scheue Schöpferstunde, jeden Morgen nimmt sie ihren Lauf.“ Ein Lobgesang. Auch für Vati, der nach einem Sturz auf Reha verlegt wurde in Nürnberg für 14 Tage.

27. Mai, 6 Stunden, meist unter Segeln

Wir nützen den Wind, der anfangs wieder voll dagegen weht, folgen der Inselküste, an der meist der lokale Wind entlangstreicht oder „der Küste folgt“, kreuzen auf, zählen die endlos in Reihen stehenden fleißigen Windflügler am Kamm. Kaum eine Segelyacht unterwegs. Doch dann: eine blaue kleinere. Ich sag so vor mich hin: Wär doch toll, wenn uns mal dieses junge Paar aus der Schweiz wieder treffen würden, das wir in Leuca („Stop! Don’t go out. 8 Beaufort and more!“) kennenlernten und die mit uns nach Ericousa segelten im stürmischen Seegang. Und da stoppt das Schiff, die rote Fahne mit dem Schweizer Kreuz drin, Rufe vom Bug, „Hey, EOS!!!“. Sie steuern zurück und kommen her, welch eine Freude des Wiedersehens. Sie kommen vom Norden, wo wir hin wollen, haben erneut Zeit bis Oktober. Ein Paar des Glücks.

Dann schwenken wir ein in die uns wohlbekannte Boufalo Bay, die uns am 4. Oktober 09 so friedlich umarmte nach heftigem Gebraus und Gewell. Das kleine Rund des Naturbeckens in der Bucht, die vertrauten paar Häuser, die gepflegten kleinen Kaiken der Fischer. Wir grüßen das Schiff „Prima vera“ mit der vermeintlichen Italienerflagge grün-weiß-rot am Heck mit „Buon giorno“ und schmunzelnd antwortet der bärtige Skipper: Okay, but that’s Ireland, my flag is green-white-orange, my port is DUBLIN!“ Ich flöte ihm nach dem Ankern „Should old aquaintance…“ und er freut sich sichtlich darüber.

Die Franzosen lauschen meinem „Au clair de la lune“ und „Au jardin de mon père les lilas sont fleuris“, ein Verstehen ohne Worte.

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An Land bummeln wir durchs Dorf und 3 alte schwarz gekleidete Frauen, die Jajas, Omas, erkennen mich wieder, die Frau mit der Flöte. Gut, dass mir alle
Zeilen des griechischen Textes vom Schäferlied einfallen: “Prowatakia stin plaja, aspra, mawra, kastana, din din din.“

Wir wandern den Hügel hoch, gesäumt von großen Olivenbäumen, hier blüht noch der stark und süß duftende goldgelbe Ginster, 2 Meter hoch. Daneben mannshohe Disteln, auf denen sich große,metallisch- schillernde grüne Käfer tummeln, gierig zu zehnt nach dem Nektar tauchend, taumelnd umflattert von weißen Schmetterlingen, gemustert wie bei uns der „Admiral“.

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Im nächsten Dorf erkennt uns in der kleinen Bar ein Fischer wieder, ja, Oktober, im letzten Jahr. Die Unterhaltung gelingt nicht recht, dann auch die 5 Frauen reden nur griechisch. Eine war in Tübingen, das verstehen wir. Aber dann kommt eine 15-jährige Schülerin, und die dolmetscht vorzüglich in Englisch. Das dicke Kompliment wird sie der Lehrerin erzählen.

Als wir am Abend im Cockpit im warmen Licht der Petroleumlampe unser Kotelett aus der Pfanne verspeisen, schallt von Land eine Flöte. Virtuos gespielt ein Stück. Ein liebes Geschenk. Ruhig die Nacht. Früh bekommt Gerhard beim Wasserholen einen 40 cm-Thunfisch geschenkt, 6 cm dick der silbrig glänzende Rumpf. Der kommt aufs erste Grillfeuer.

Abends schleicht noch der schmucke Taiwan-Klipper in die Bucht. Nun sind wir 5 deutsche Schiffe. Augsburger, Mannheimer, die mit 50 „aufgehört haben zum Schaffen“ und seitdem Nordsee, Kanal, Biscaya, Tunesien, Griechenland für jeweils 6 Monate besegeln. Nett das mit dem Wein immer fröhlichere Lachen im Cockpit. Man kennt sich, von der Winterlager.

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Am Morgen des 29. Mai kündigt der Wetterbericht für Montag / Dienstag ein kräftiges Tief aus Tunesien kommend an, mit 8-9 Windstärken und 3-4m hohen Wellen. Dieser Blog-Bericht bleibt wohl bis dann im Notebook gefangen, denn bis Chalkida haben wir kein Internet.Diesen Link für die Fotos anklicken

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