Gerhard, Göcek, 17. August 2010-08-17
Zur mächtigen Düne
Die Küste zwischen Kalkan und Fethiye im Süden der Türkei ist sehr gebirgig. Wilde Felswände gehen übergangslos ins Meer über. Dort mündet aber auch ein kleines Flüsschen, der Esen und bildet ein riesiges, flaches Mündungsgebiet mit einem über 20 km langen Sandstrand. Segler lieben enge Landnähe nicht, aber auch von weit draußen fällt eine mächtige Düne auf, eine Laune der Natur. Gerdi und ich schätzen sie auf 30- 50 m Höhe.
Auf der Rückreise von Kalkan nach Göcek tastet sich die EOS vorsichtig unter Land. Auf 5 m Wassertiefe fällt der Anker. Kein Wind bewegt das Wasser, dennoch wirft eine alte Dünung die EOS von einer Seite auf die andere und die Brecher dröhnen von Land zu uns. Gerdi bleibt am Schiff, ich pumpe MICRO EOS auf, verstaue Kamera, Mobile und GPS im wasserdichten Sack und lege noch eine Flasche Wasser dazu. So rudere ich auf den Strand zu. Die EOS schaukelt mächtig. Im Uferbereich erfassen die Brecher MICRO EOS, werfen sie nach vorne und in wilder, kurzer Fahrt schießen wir ins ganz flache Wasser. Raus aus dem Boot bevor uns das Wasser wieder zurückzieht und MICRO EOS den Strand hochziehen muß ganz schnell gehen. Trotzdem bin ich arg geduscht.
Der Sand ist ganz fein und heiß. Ich mache mich auf den Weg, durchquere eine wildbewachsene Senke und steige auf. Es geht sich mühsam im lockeren Sand. Ausgebleichtes Holz liegt auf den kleinen Sandwellen, die der Wind geschaffen hat, ähnlich den Schneewellen im Winter. Auch im reinen Sand wachsen da und dort Büsche. Der Wind hat manche Wurzeln freigelegt, sie sind über 10 m lang.
Mit ihnen werden die Büsche ihren Lebenssaft aus der Tiefe holen. Auch trockene, abgestorbene Büsche ragen aus dem feinen Sand. Scharfe, elegante Grate bilden die Dünenrücken, westseitig flach, ostseitig steil. Weit draußen schaukelt EOS. Es ist knallheiß, kein Lüftchen regt sich, die Schuhe sind voll Sand. Vogelspuren und die breiten Doppelspuren von Schildkröten zeichnen sich im Sand ab. Am Gipfel bietet sich ein Rundblick über das türkisblaue Meer und auf der anderen Seite das fruchtbare Land mit Gewächshäusern, einem sumpfigen See und ein paar Hütten. „Meine“ Düne geht nach 100 m übergangslos in einen mächtigen Kiefernwald über. Das GPS zeigt eine Höhe von 65 m an.
Auf dem Rückweg laufen die Beine wie von selbst den Berg hinunter. Mächtig donnert die Brandung gegen das Ufer. Ich verpacke alles in den wasserdichten Sack, ziehe das Beiboot ins Wasser und versuche raus zu paddeln. Es gelingt nicht und eine Welle nach der anderen wirft ihr Wasser ins Gummiboot. Erst als ich noch mal aussteige und das Boot ins tiefere Wasser ziehe, können wir uns aus dem Bereich der brechenden Wellen freirudern. Noch ein paar Minuten und wir sind mit halbvollem Beiboot bei der EOS. Gerdi hat´s mächtig durchgeschaukelt. Jetzt holen wir den Anker ein und richten den Kurs ins tiefe Wasser.
GERDI’S ANEKDOTEN, 17.8.10
DIE NEUGIERIGE MEERESSCHILDKRÖTE
Wir liegen im Anker-Becken der Bucht vor der senkrecht aufragenden Felsenwand vor Kastellorizon. Ich fotografiere gerade die wunderschöne bunte Flaggengala auf 4 Schiffen vor uns. Da ruft Gerhard hinter mir: „Da! Da! Schnell!“
Ich dreh mich um, seh die wohl über 50 cm im Durchmesser große Meeresschildkröte 4 m neben dem Rumpf der EOS auftauchen, Klick. Und schon hebt sich erneut der große gelbe Kopf aus den Wellen. Neugierig ist sie! Klick! Da staunt der Leser – oder?
MARIÄ HIMMELFAHRT AUF DER GRIECHISCHEN INSEL
Wir laufen rund um die Felsen auf dem Ringpfad rüber zum Dorf, um in einem Internetcafé den blog einzuspeisen. An der Kirche ist der Vorplatz mit viel saftig grünen Buchszweigen und gestreuten Lorbeerblättern, auf griechisch Daphni, geschmückt. Fahnen flattern im Wind, alle kirchlichen Wimpel sind als Flaggenleine aufgehängt, Lesepulte mit gestärkten weißen Spitzendecken behängt, der reichlich mit Gold bestickte Ornat der Popen hängt schon bereit auf Kleiderbügeln, prunkvolle Kerzenständer stehen bereit, viele Holzstühle wurden in Reihen aufgestellt, eine Musikkapelle macht sich fertig, alles deutet auf einen abendlichen Festgottesdienst hin. Nach Wochen der lautschallenden Muezzinrufe aus den Lautsprechern der Minarette an den Moscheen kommt einem das als Christ doch recht heimat-lich vor. Wir hören später die Kirchenglocken, den singenden Popen und die Bouzuki-Geigen-Gesang-Darbietung noch bis früh morgens um 1 Uhr, als wir vor Anker liegen.
VOM FISCH DEN KEINER ESSEN WOLLTE
Im letzten türkischen Dorf bei der eiskalten Quelle, wo wir an Land ruderten, um 10 Liter Wasser zu erbitten und Brot zu kaufen, gibt es leider keinen einzigen Briefkasten. Also wandern die Briefe an Erika und den SMCF wieder in den Rucksack. Auch beim einzigen Gemüsestand: keine Nektarinen. „Doch! Komm, Frau!“ gestikuliert der Händler. Er führt mich hinter seine Zeltplane, hebt den Verschlag, öffnet die schwere Tresortüre des Kühlwagens – und drinnen in der Eiseskälte ist sein Obstlager. Gurken, Nektarinen, Tomaten, Paprika, herrlich. Gerhard fragt nach Fisch. „Balik?“ Man deutet uns den Weg an hinter eine Hecke. Auf dem Boden kauern Frauen, alte Männer. Dazwischen liegen Plastiktüten mit Fisch. Unser „Führer“, Kapitän auf einem Gület auf dem Marmarameer, dolmetscht, dass wir Fisch kaufen wollen. Oh! Ja! Ganz frisch sei er. Aber nur im Kilo zu haben. Na gut, wir wählen 2 große, bläuliche, mit großen Schuppen fast wie ein Karpfen und einen kleinen, 1 kg! 15 Türkische Lira. Wir haben 13. Und nehmen sie begeistert mit. „Mmmmh. Die grillen wir heute Abend in Kastellorizon.“
Gleich nach dem Zurückpaddeln wandern sie in einer Dose in den extra kühler gestellten 30x30cm großen Kühlschrank.
Nach unsrer Rückkehr vom blog-Senden öffne ich jene Dose, sie riecht etwas unappetitlich, aber der Zitronensaft wird das schon neutralisieren. Da es inzwischen draußen mit starken Böen heult, können wir es nicht wagen, ein Feuer am Grill zu machen, da die Funken auf die neben uns ankernden Yachten fliegen würden. Also, trotz der Hitze im Schiff, Herd anmachen und in der Pfanne braten.
Tapfer und schweißüberströmt mache ich mich an die Arbeit: Bäuche aufhalten, Zitronensaft reinträufeln, Fischgewürz, Knoblauchwürfele, Dill, Olivenöl. Dann zaubert Gerhard an dem widerspenstigen Petroleumherd ein Feuer. Pfanne drauf, alle 3 Fische ins zischende Öl. Einige saftige Knoblauchzehen hinterher. Ich brate, es spritzt höllisch heiß auf meinen eignen Bauch. Durchhalten! Nach ca. 10 Minuten hebe ich den ersten Fisch knusprig braun gebraten auf Gerhards Teller. Wie der Oberratten-König spielt er den Vorkoster.
Er zupft sich mit der Gabel prüfend das 1. Stück des weißen Fleisches, dann ein Aufschrei: „Iiiii! Widerlich. Grässlich. Den esse ich nicht! Weg! Weg damit!“
Und im nächsten Moment fliegen alle 3 Fische, unsre köstlich geplante Abendmahlzeit, über die Reling ins Meer. Platsch. Aus. Vorbei.
Es gibt Honigbrote. Den letzten Rest des Brotes. Und unser letztes Bier.
DER OBER ALS POSTBOTE
Wir waren in Göcek beim Abendessen. Wenn es tagsüber immer 38 – 40° Hitze hat und man im Cockpit fast schmilzt oder geradezu verdunstet, so schwitze ich da, ist einem am Abend nicht nach Kochen und Tischdecken. So geht man doch mal in eine Taverne. Mich sieht Gerhard tagsüber immer mit dem Frottéetuch in der Hand, um wenigstens die Augen frei zu halten. Ich warte sehnlichst 12 Stunden lang auf den Untergang der „güldnen Sonne“, die ich am Anfang des Törns festlich mit Flötenmusik begrüßte!
Die Ober sind alle sehr freundlich und humorvoll. Es tut gut, so freundlich bewirtet zu werden. Vielleicht sind ja alle Brüder, denn sie sind alle mit strahlenden Gesichtern bei der Arbeit, spielen in allen Sprachen mit den Kindern der Gäste, machen kleine Scherze, erschrecken sie mit laut knisternden Wasserflaschen, die sie heimllich hinter deren Ohren zerdrücken.
Köstlichste aller Erfrischungen ist ein Stand-Ventilator, der beim Drehen alle 6 Sekunden auch mich streift. Gerhard bestellt ein „Mythos“- der Ober schmunzelt und legt grinsend den Kopf schief. Mythos? (Das ist ein griechisches Bier! Die gemeinte türkische Marke heißt EFES.
Nach dem Essen, köstlilches Hühnchen in Stücken gegrillt, das heißt hier shish chicken, halte ich erklärend meine Post hoch, ein Brief an Martin (den mit dem Kunst-Objekt aus der neuen Istanbuler Kunsthalle!), eine Karte an Erika, eine an Petra: Wo ist ein Briefkasten?
Der Kellner hat Sprachprobleme, er möchte mir so gern den Weg zum Postkasten erklären. Er gibt es auf, legt die Hand aufs Herz, beteuert glaubhaft: „Das erledige ich für Sie, Madame!“ und er notiert sich das als Erinnerung auf einen „To-do“-Zettel und zeigt mir den noch mal, als wir uns verabschieden. Wieder mal erliege ich dem Charme und der natürlichen gastfreundlichen Einladung zum Helfen. Kommt dir das bekannt vor, Erika? Du willst doch auch immer den Gästen die Wünsche von den Augen ablesen und alle, alle erfüllen.
LUFTIGES HIMMELBETT
An Land in Göcek gibt es ein Café, in dem Diwans, große 1qm-Kissen auf dem Boden, Baldachine aus gerafften Vorhängen auf dem schmalen Steg, abends mit Kerzenschein schwach erhellt, einladen zum Verweilen. Der ganze lange Steg sieht aus wie eine Spielecke für Kinder bei uns im Familientreff. Der Ober bedient adie lagernden lümmelnden Touristen an ganz niedrigen kleinen Tischchen. Ich finde das sehr exotisch. Und denke schon an das Brutofen-Bett im Bug heute nacht.
Gerhard bietet mir an Bord seine komfortable edle superleichte, 5 cm hohe, perfekte Luftkammer-Matratze zum Nachtschlaf im Cockpit an( USA-Modell, Neon-Air? 150 g, 120 €, winziges Packmaß 6×20 cm). Er schläft damit seit Wochen openair, unter dem Nachthimmel, auf einem aus 3 Brettern 20×180 cm gebauten Liegetablett über der 7 cm hochragenden Traveller-Schiene zwischen den Cockpitbänken.
„Liebe ist…“ – so lautete auf Erikas Snoopy-Kalender mal jedes Blatt. Ich nehme das großherzige Angebot an. Er bläst sie in 2 Minuten auf, serviert mir dieses Freiluft-Bett. Es ist im doppelten Sinne ein wahres HIMMELBETT! Ein ganz leichter Lufthauch streich manchmal über mich.
Im Vorschiff, wo ich sonst schlafe, auf neu gepolsterter Matratze, ist es seit 3 Wochen höllisch heiß, um 3 wache ich oft auf und fühle mich wie gedünstet. Besonders der ja nur 50 cm flache Fußraum wird sehr heiß, auch das über mir offene Klapp-Luk lüftet das1,70 m tief unten liegende Vorschiff nicht. Die Luft „steht“ wie in einem Einmachglas. Ich messe mit dem Thermometer 38° Schlafzimmertemperatur.
Dies als Erklärung. In den KW-Nachrichten hörten wir gerade, dass es in Süddeutschland Höchsttemperaturen von 16 °C hat, und des Nachts 10°.