GERDI, am 27.Aug.2010
„KLIMA-WANDEL“ am 23. August bei OVA BÜKU, 4 Monate vor Hl.Abend
Welch eine Überraschung: Die große Hitze ist vorbei (??).
Wir segeln früh um 6.30 Uhr in Ciftlik los, es wird ein herrlicher Segeltag, hinten am Heck der wunderbare Schatten unter dem luftigen grünen Bimini-Dach mit den Seiten-Netzen, schöner Wind und, unglaublich, nur 33°C! Mein geschwollenes Meniskus-Knie schwillt allmählich ab, ich lese mit großem Vergnügen im erstmals nicht brütendheißen Vorschiff die neueste FAZ, interessant v.a. der Kulturteil, Beruf und Campus mit lesenswerten Artikeln in gutem Deutsch. (Hier im Segelurlaub sprechen wir ja fast immer in Englisch).
Nach 32 sm, das sind rund 60 km Tagesreise, fällt der Anker in der von Felsen umgebenen uns schon bekannten Bucht von Ova Büku, 5 Tavernen, kleiner Sandstrand, hohe Bäume, WiFi. Am Abend stellen die Ober flugs je 12 Tische ans Meer in den Strandsand, wo sonst die Sonnenliegen und die aus Peddigrohr geflochtenen Sonnenschirme stehen. Windlichter auf die weißen Tischdecken, Stühle dazu, Speisekarte, fertig ist das Restaurant. Wir aber kochen selber, Spaghetti, Pesto, Parmesan, grüne kleine Gurken vom Gemüse-LKW. Wie lange blieb der Herd nun kalt? Wir tranken früh Nescafé mit im kleinen Kühlschrank gekühltem Wasser und ansonsten nur viel Salat oder Brote. Mittags bei 40° verzichteten wir oft auf Mahlzeiten und begnügten uns mit Wasser und Sesam-Stangen aus der Alu-Tüte und Nektarinen oder Äpfel der neuen Ernte.
Wir genießen im Cockpit den Vollmond und die „kühle Luft“, und schlafen, trotz der Schaukelei quer zu den Wellen wunderbar. Ich wache früh auf, zum ersten Mal nicht „schweißgebadet“ – und es ist beinahe „kühl“. Das ist so unglaublich, dass mir spontan die Anfangstakte der BACH-Kantate im Ohr sind und ich singe: „Jauchzet! Frohlocket!“
Nach 6 Uhr früh holt Gerhard behutsam den Anker hoch, die Chartersegler schlafen gern lang nach drink-reicher Nacht J.
Vor uns breitet sich braun der breite Inselrücken von KOS aus. Wir werden aber vorher noch den ewig langen Halbinsel-Finger „Datca“ umrunden, also zuerst 25 sm gen Westen, ums Kap herum und 25 sm zurück gen Osten. Zauberhafte, teils tief eingeschnittene grüne Waldbuchten locken. 2,4,5 Delfine begleiten uns und sausen um und unter die EOS, heben sich bedächtig und spielerisch im Duett wie Bögen aus den Wellen, tauchen elegant wieder ein. Eine halbe Stunde lang dieses Schauspiel!
Wir haben ab 13 Uhr kräftigen Wind, wohl 6 bft, von hinten rollen lange, hohe Wellen an, schäumend legt sich die Gischt ins Wellental, lärmend gurgeln die Brecher unter dem Kiel durch, ein Spektakel. Heftiger Ruderdruck an der Pinne. Zweifaches Reff im Groß, später ohne Vorsegel, wir laufen über 6 Knoten. Die großen Wellen „schieben“ uns zusätzlich! Gegen 17.30 Uhr folgt das Großsegelbergen im wild schwankenden Schiff, immer eine Sache mit Herzklopfen für mich, wenn Gerhard da vorn am Mast „steht“ (!) und freihändig das Segel birgt, 8×5 m, 40 qm störrisches Tuch in großen Falten vom Mast der EOS gezogen. Ich muß das Schiff exakt „im Wind“ halten, darf nicht mit dem Bug „durch den Wind“ geraten im Wellengang, sonst wirft sich das Schiff auf die „andere Seite“ und den Skipper auch. Nicht auszudenken. Danach muß er alles auf dem schwankenden Großbaum, an Deck stehend, in Falten „auftuchen“ und mit Bändseln festzurren. Ich bin immer froh, wenn er es geschafft hat und ins Cockpit zurück klettert.
Wie etliche Gulets steuern wir behutsam über Barren (Untiefen) und an flachen Unterwasser-Riffen vorbei in eine der Buchten am East Creek, Yediadalar. Luftlinie sind wir nur ca. 30 km von MARMARIS entfernt, das „hinter den Hügeln“! liegt, am südlichen Ufer.
Traumhaft. Grüne Pinien. Wessssspen! Und da sticht mich gleich eine goldgelbe Wespe nach dem Schwimmen in den Oberschenkel. Fenistil-Gel. Nicht schimpfen. Das ist Natur pur. In dieser Bucht „üben“ wir mal diese türkische Art zu ankern. Wir fahren rückwärts mit dem Heck voraus auf das Land zu, werfen den Anker und fahren unter weiter rückwärts. Ich halte das Schiff (gegen EOS’ Willen) auf dieser Stelle, Hick Richtung Ufer, bis die Ankerkette straff ist. Dann muß ich gegensteuern und „über den Anker fahren“ bis es dort wieder ruckt, dann wieder rückwärts fahren und in der Zwischenzeit ist Gerhard mit einer großen Rolle Landleine, 50 m, und Kette für den zerstörerischen Felsen am Ufer, an Land gepaddelt, befestigt das Ende der Leine mit der Kettenschlaufe am Felsen und paddelt nun auf die Eos zu. Ich verlasse schnell den Platz am Ruder und übernehme das Tau um es an der Klampe zu befestigen. Gerhard reicht mir die 50 cm-Rolle hoch, befestigt das Schlauchboot und kehrt zurück an Bord. Nun muß man diese Landleine noch dichtholen oder auch die Ankerkette. Meist haben wir dann eine ruhige Nacht vor uns.
Wir lesen viel: Gerdi: „Die Tochter der Tibeterin“ (v. Federica de Cesco). Spannend. Zum Nachdenken anregend, denn das Volk wird von den HAN-Chinesen gedemütigt und soll „eingegliedert“ werden, gegen den Willen des Buddha-Volkes, Sie sind und bleiben auch in Khaki-Uniformen heimliche Anhänger des Dalai Lama. Gerhard liest gerade das 5 cm dicke „Lied von Troja“.
Am 25.8. gibt es guten Wind aus Westen, bis 5 und 6 bft! Flottes Segeln in einer herrlichen Gegend. Ja, viel schöner als Kroatien und Griechenland.
Schon nach knapp 4 Stunden tasten wir uns in eine unbeschreibliche fjord-ähnliche, ganz schmale Bucht, Kargilibüc. Ein Abenteuer der besonderen Art: Hier habe
n wir, hinter der 1,5m Barre, nur ganz wenig Wasser unterm Kiel und zum ersten Mal zeigt unser Echo-Lot 0,0 m an. Ganz ganz langsam unter Motor schleichen wir zum hintersten Ende der Bucht, 2 Graugänse quaken und 2 Fischerboote hängen vertäut am Ufer. Es sieht aus wie an einem deutschen Weiher! Hohe Pinien, Laubwald, ein ganz kleines „Restaurant“, Ali& Eleanor. Ein Schwenkgrill von 1-5 m Durchmesser, eine Kissenbühne mit Shisha mitten im Wäldchen, viele von Eli getöpferte große Schmetterlinnge, Kalebassen, wunderschön handbemalt, als Girlanden. 6 Welpen, ein Husky mit himmelblauen Augen, muhende Kühe (Ali scherzhaft: „Elephants!“), Pferde wiehern (sogar Wildpferde, auch weiße!), Spuren von Waldbrand vor ca. 12 Jahren, Ali zeigt uns Fotos vom Löschen mit Hilfe von Hubschraubern.
Gerhard paddelt in die 3 mündenden Bäche, Eisvögel, ein Kranich stolz und still im Schilf. Abends essen wir Ali’s „spicy chicken-legs“ vom Grill, köstlich saftig, chili-scharfffff! Auberginen-Mus mit Knoblauch, in Folie gegrillte Kartoffeln und Zwiebeln, Melone, Pfirsich, Trauben als Dessert, und: ein köstliches Weißbier aus dem Bayerischen Wald, ja, eine bayerische kalte „HUTTHURMER BAYERWALD-HEFE-WEISSE“ naturtrüb, D-94116 Hutthurm, seit 1577!
Das Bild auf der Flasche zeigt den Kirchtturm von Hutthurm, Zwiebelturm, blühender Apfelbaum davor, Tannen, Bauernhäuser mit rotem ausladendem Ziegeldach und Holzbalkons mit roten Geranien davor, grüne Hügel, Bayerwald, See, saftige Wiesen dahinter – HEIMAT!
Ein Gast empfahl ihm vor Jahren dieses Bier und seitdem hat Ali es im Angebot! Sachen gibt’s!
Donnerstag, 26.August: SCHÖNHEITSKUR FÜR DIE EOS …und die ersten Zucchini-Küchlein an Bord!
Wir nützen den ersten Tag der unter 40° liegenden Temperaturen und machen uns sogleich ans Werk:
Schmirgelpapier, 2 dicke neue Pinsel, UV-beständiger Klarlack für unser sonnengeschädigtes Mahagoni-Cockpit!!! Zu zweit arbeiten wir hingebungsvoll, unter dem Schattendach der großen Persenning (Dank sei dem albanischen Bootssattler Julian aus Piräus, 13.8.09)
5 Stunden lang brauchen wir. Danach heißt es vorsichtig sein, man darf ja nirgends „hinkommen“, jede Berührung wäre ein Schaden im nassen Lack.
Ich geh nach unten in die Kombüse, hoble die grüne ZUCCHINI, schlage 3 Eier und mische 200 g Mehl und 3/8 l Milch und Wasser, dazu Salz, Zitronensaft, Estragonblätter. Nach dem Quellen backe ich in Sonnenblumenöl 18 knusprige, goldbraune Zucchini-Küchlein. Mit Zimt+Zucker zum Kaffee ein wahrer Hochgenuß am Nachmittag, mmmh.
Am frühen Abend paddeln wir raus, laufen den Waldpfad hoch, an Süßwassertümpeln vorbei, zu den freilaufenden Kühen und Kälbern, Hühnern, Pferden, zurück zu Ali&Eli’s Restaurant im Wald. Da bietet uns Eleanor aus Buckinghamshire in England an, dass Ali uns im Auto (alter türk. Fiat 1600, Jg. 1994) auf den sehr holprigen Brandschneisen der Feuerwehr hochfährt zum Sonnenuntergang mit Blick über die vielen Buchten auf das weite Meer. In halsbrecherischem Tempo, zigaretterauchend, jagt er das Auto wie einen Hengst über Stock und Stein, durch enge Haarnadelkurven, links der Abgrund, rechts der Felsenhang. “Hell’s Angel“ sag ich zu ihm, und da ist er stolz, so ein rasanter Fahrer zu sein.
Gutes Timing: als wir fast rennend vor halbacht zum Gipfel laufen, eröffnet sich ein atemberaubendes Panorama, das Meer, all die Buchten, der Wald, die rote Kugel der Sonne, die sich fast behäbig in eine Berg-Kimme schmiegt und es sieht aus, als würde sie wie ein Spiegelei ins Meer hinab gesaugt. Gerhards Fotos belegen, was Worte nicht können.
Ein unvergessliches Erlebnis.