Heute ist der 31.Mai, unser 15.Törntag, der letzte Tag im Wonnemonat Mai. Wir hatten eine friedliche Nacht vor Anker. Gerhard geht um 5 Uhr früh Anker auf, wir haben eine weite Strecke vor uns! Immer entlang der menschenleeren Küste der langgezogenen Halbinsel, Naturreservat, Peninsula Karaburun.
Ein Kleinod: kein Müll, auch nicht am Felsstrand, kein Haus, nur Bäume bis zur Baumgrenze hoch über uns. Macchia, Steineichen, in tiefen Schluchten ewig im Schatten dunkelgrüne Vegetation, die Rippen der Faltung teils 30° oder gar senkrecht… Erdgeschichte zum Anschauen. Keine Antenne, keine Tierställe, nur einzelne Fischer auf dem Meer…Unberührte Natur, grün, grün, grün. Das Auge aalt sich in all der Urlandschaft. Die Berge bis fast 2000 m hoch gleich neben uns, Wassertiefe bis zu 120 m. Landschaftlich fühlen wir uns an die Fideriser Heuberge erinnert. An die Allgäuer Alpen weiter oben, ohne saftige Weiden freilich. Unten teils eingestürzte Grotten, vom Meer ausgespült, senkrechte braune Felsen, abgesprengte Felsmauern stürzten irgendwann ins Meer oder warfen unter sich eine Geröllschütt auf.
Wir schweigen, die EOS fährt in der rollenden Dünung brav voraus, Wind voll gegenan, viel segeln wir nicht. Die Dünung kennen wir schon von unsren Zeiten mit unsrer stählernen postgelben 8,60m-MARION und den sechs je 12-Wochen dauernden Törns auf der Adria…mit unsren kleinen Kindern 1983-91…
Mittags gibt’s die letzten 2 saftigen Mandarinen, Oliven vom Markt in Sarande und Käse. Gegen 13 Uhr nach 8 Std. Küstentraum Himara querab. Kein Bedarf zum Anlegen an dem mörderischen Kai…dann die ersten Häuser, eine riesige Brache, gerodeter Wald, ganz neue Straßen, brutal in den Berg gebaut, daneben die ersten Hotels im Werden, da kommt noch mehr!!! Noch stehen vereinzelte Camper am weißen Strand, wie mag das in 3 Jahren wohl aussehen? Die Infrastruktur ist schon fertig… Laster, Betonmischer, Kräne, Gerüste… Schnell weiter fahren! Um 14. Uhr biegen wir ein in die große Bucht vor Porto Palermo, wo ein nicht mehr benützter 600 m langer Stollen im Berg die albanischen U-Boote-verbarg! Die Hafenbeamten und der Polizist von Orikum (und auch von Sarande!) sagten uns, da kann man problemlos hin und ankern, es sei ein Kai da, Soldaten? Vorbei! Aber da täuschen sich die Herren! Als wir ganz behutsam hinfahren und uns dem Kai nähern, stapft ein Soldat von der am Hang gelegenen Militärbaracke (eher Ruine) herab,schwarze Uniform, Gewehr über der Schulter, Hund dabei. Er bedeutet mit Gesten: Verboten! Weg! Also müssen wir doch an den schrecklichen maroden „Kai“, einem Betonmonster hoch über der Deckshöhe der EOS. Wir bringen alle Fender an die Stb-Seite, auch die mit Teppich umhüllten Gabelstapler-Reifen, alle Leinen, auch eine Sicherungsleine in der Mitte… Wie soll man denn da ohne Helfer an Land eine Festmacher-Leine hinauf bekommen??? Ich steuere das Schiff unter Motor mit der rechten Seite fast an den Kai, noch mehr kaputt als 2011… Damals half uns ein Fischer. Kein Mensch da! Nun also Lasso-Werfen! Gerhard zielt auf den großen Poller und trifft. er zieht uns hin, neben mir glucksend diese grausigen schwarzen Löcher, die unter dem straßenbreiten Kai offen sind. Gh. wagt es, mit der rechten Fußspitze auf einem Relingstütze zu balancieren, das bringt ihn 40 cm höher… dann ein mutiger schwungvoller Schritt mit links und er war oben. Ich hielt die Eos nah am Betonkai, übergab die weiteren 3 Leinen… fast 1,5m hoch oben legten wir die Leinen so, daß wir sie „auf Slip“ notfalls fieren und wegfahren könnten. Am T-Poller, der für gr. Fischer gedacht ist, legte Gh. die Leinen um die seitlichen „Arme“, aber sie waren in Gefahr: Schamfieling nennt das der Seemann, Durchscheuern an der Mauerkante bei der Schiffsbewegung in Welle und Wind. Wir wickeln Frottéelaken um die Festmacher, binden sie fest, alles Routine.
Froh bin ich, als Gh. auch wieder den tiefen Abstieg aufs Boot schafft. Dann hängt er die neue (Patras 2015) Edelstahlleiter kunstvoll an den Poller, sie hängt also an der Mauer runter Richtung Schiff. Mein Wanderer klettert nun „sicherer“ auf die hohe Ebene draußen und läuft rüber zum Fort aus venezianischer Zeit, fast baugleich mit der Festung in Butrint! Es duftet nach Salbei, der in einem Haus meterhoch lagert wie vor 5 Jahren! Vom Boot aus sieht man eine orthodoxe Kirche. Gjergji erzählte, daß viele noch aktive gläubige Christen sind, auch daheim war eine Kerze an vor Ikone und Madonna, aber die Muslime halten schon 65% in der Bevölkerung.
Ein Schauspiel sind die Schwalben, sie zwitschern auf unsren Festmacherleinen wie Journalisten oder TV-Redakteure, ein lustiges pausenloses „Deklamieren“, ein eiliges Flattern und elegantes Fliegen unter den dunklen Tunneln, wo wohl die Nester verborgen sind. Rotbraun die Kehlen, türkisblaugrün das Köpfchen, ganz lange gegabelte Schwänze, die wie eine Perlenkette zauberhaft schöne dunkle Punkte auf weißen Federn haben wie die schönsten Schmetterlinge, z.B. der Admiral! Wir sitzen 1 Stunde im Cockpit, die Schwalben 50 cm neben mir auf einem rostigen Vorsprung oder auf der Achterleine… Viel schöner als Fernsehen und Radio. Ein Konzert und Augenschmaus.
Am Abend koche ich albanische Hörnchennudeln und Steinpilzsoße mit Milch, Butter und Pfeffer. Traumhaft windstill die hereinbrechende Nacht. Pollux und Castor, Jupiter, Regulus… Der große Wagen. Die berüchtigten Fallböen von den 1800 Meter hohen Bergen gleich neben uns bleiben heute- Gottseidank-aus. Friedlich sitzen wir am Notebook und tippen für euch unsre Erinnerungen… Dabei knabbern wir die Sonnenblumenkerne, die mir die nette junge Italienischlehrerin Anila im Bus geschenkt hatte. So nett, die Albaner, echt!