Mit voller Anspannung in die schöne, stille Bucht

Pricken, Echolot und GPS im Blick

Unsere Ankerbucht ist unheimlich. Erst beim zweiten Versuch greift der Anker. Der Wind weht kräftig vom bedeckten Himmel und trägt Schwell und das Grollen der nahen See in die Bucht. EOS schaukelt.  Anderntags brechen wir um 07:30 Uhr auf. Wir möchten dem starken Wind, der im Laufe des Vormittags einsetzen soll, zuvor kommen.

Das Fahrwasser verläuft nahe den äußeren Schären und windet sich um Steine die sich unter Wasser verbergen. Manche sind durch grüne und rote Pricken markiert. Das Echolot-Bild zeigt ein wirres Gebirge. Die Tiefe springt von 15 Meter auf 1,8m. Das belastet die Nerven. Wir reduzieren die Geschwindigkeit auf ein Minimum. Rechts und links begleiten uns flachgeschliffene Felsen, die gefährlichere Sorte begleitet uns unsichtbar unter Wasser. Dann verlassen wir das aufreibende Fahrwasser für einige Meilen vorbei an Oskarshamn. Noch einmal die gleiche anstrengende kurvenreiche enge Strecke. Diesmal begleiten uns schmucke Ferienhäuser. Vor den meisten weht der lange blau-gelbe Wimpel.  Das GPS ist eine großartige Hilfe, zeigt es doch metergenau unseren Standort auf der elektronischen Seekarte. Dort sehen wir alle verborgenen Steine und Inselchen und die Wassertiefe in verschiedener Färbung. Was muss das aufwendig gewesen sein, als es noch keinen GPS-Standort gab! Jede passierte Pricke und jede Schäre abhaken. Hat man sich verfahren, wie fand man dann wieder heraus? Und die bösartigen Unterwassersteine? Respekt, wer sich dort zurecht gefunden hat! Auch kein Weg bei starkem auflandigem Wind. Brecher und Strömungen müssen dann brutal sein.

Wenn Ihr diesen Link öffnen könnt, dann seht Ihr bei starkem hineinzoomen, wie kompliziert der Fahrkurs ist.

Die stille Bucht

Vorsichtig kurven wir in unsere Ankerbucht. Auch hier warten ein paar Unterwassersteine. Testweise fahren wir eine Schäre an. Ein Handbuch sagt: So steil wie die Schäre ins Wasser ragt, geht sie unter Wasser weiter. Stimmt! Im zweiten Anlauf senken wir den Anker und binden EOS mit zwei Leinen am Ufer fest. Toll, dieses Schären-ankern! Da haben in einer Bucht viele Boote Platz. Wir sind aber in dieser großen Bucht wie meistens alleine. Wir steigen ans Land und durchwandern die moosweichen Pfade und glatten Schären. Im letzten und vorletzten Jahrhundert war hier ein großer Granitsteinbruch. Abbruchkanten und Abfallsteine findet man überall. Hinweistafeln informieren über die harte, entbehrungsreiche Arbeit. Die alten Fotokopien zeigen schmale, knochige Männer. Der Bodymaßindex war wohl bei diesen Arbeitern kein Problem. Was ist mit den rotbraunen, dürren Kiefern los? Bei manchen löst sich die Rinde vom Stamm und Käfergänge zeigen sich. Borkenkäfer? Der trockene vergangene Sommer?

Heute gibt’s Ratatouille. Gerdi ist fleißig dran und ich freue mich aufs Abendessen! Und es schmeckt danach auch gut.

Das Firmament zeigt volles Programm

Wir sehen kein künstliches Licht in unserer Bucht. Der Wald zeigt sich als gezackter Schatten gegen den Horizont. Darüber breitet sich das Firmament in voller Pracht aus. Die hellen Sternbilder Großer Wagen und Castor und Pollux  dominieren. Die Milchstrasse durchzieht als milchiges Band die Sternbilder. Die mächtigen Planeten Jupiter, Saturn und Mars stehen noch unsichtbar unter dem Horizont. In den hohen Breiten haben wir zugunsten des langen Tages auf dieses Schauspiel verzichtet. So legen wir uns zufrieden in unsere Kojen.

 

Eine Fahrt wie auf dem Fluss

Reiseweg(1)Man könnte die Strecke von Öregrund nach Stockholm auch „außen rum“, also zum großen Teil außerhalb der Schären fahren, das ginge sicher schneller. Wir haben aber Zeit. Quer durchs Land zu fahren bietet mehr Ausblicke und mir fehlen für das südliche Schärengebiet noch zwei Seekarten. Die soll es in Norrtälje geben.

Grisslehamn ist ein quirliger Hafen, besonders jetzt kurz vor der Ferienzeit. Der Ort hat zwei Häfen, einen auf der Schärenseite, wo EOS liegt, und einen auf der Seeseite, von dort hat Joachim die Fähre zu den Ålandinseln genommen zur Kajakfahrt.

Wir legen ab und fahren ein kurzes Stück mit Motor, dann biegen wir in den Vardö-viken ein und setzen Segel. Langsam lassen wir uns vor dem Wind durch den schmalen Sund treiben. Wie immer begleiten uns glatt geschliffene Schären und kleine schnuckelige, aber auch mächtige, ja protzige „Ferien“-Häuser. Auf dem Wasser begegnen wir langsamen Segelbooten und rasenden Motorbooten. Sie bringen uns zum Schaukeln. Es ist ganz normal hier, mit unverminderter Geschwindigkeit vorbeizufahren. Das Boot ist in diesem Revier mit den vielen Wasserwegen normales Transportmittel. Der Wind will uns necken, immer bläst er aus der Richtung, in die wir fahren. Schließlich bergen wir die Segel. Die erste Brücke stellt mit 17 Meter Höhe kein Hindernis dar. Zur zweiten Brücke in Älmsta kommen wir gerade zur vollen Stunde als sie geöffnet wird. Die dritte und letzte Brücke zeigt auch grünes Licht und ist zur Seite geschwenkt. Jetzt noch ein paar Minuten und wir biegen in den Granösundet, unsere Ankerbucht ein. Der erste Ankerversuch scheitert, irgendwie ist ein Hindernis unter Wasser im Weg. In einer anderen Ecke der Bucht klappt das Ankern. Wenn der Anker mit 1500 Upm rückwärts nicht ausbricht, hält er auch heftigem Wind stand.

Der Wetterbericht sagt 5-6 Bft voraus. Ich fahre den Anker nochmals mit 2000 Upm ein, sicherheitshalber. Gerdi brät feine Halsgrats, dazu gibt’s fränkischen Kartoffelsalat und ein Restbier aus Estland. Wie vorausgesagt frischt der Wind nachts auf, EOS aber schwoit sicher am Anker. Granösudet, die Blätter der Bäume am nahen Ufer rauschen angenehm. Wir haben ein gutes, sicheres Gefühl.

Am anderen Morgen, 30.7., starten wir mit kurzer Motorfahrt und wechseln dann zum gerefften Vorsegel. Der Wind kommt böig und seitlich. Dann die Abzweigung in den engen Vätö-Sundet. Wir verkleinern die Fock, brausen aber dennoch mit 5 Knoten dahin. Auf beiden Seiten Ferienleben, viele Häuschen, Anlegestege mit Motorschiffen. Jeder hat hier wohl seinen Wasserflitzer. Kein Wunder bei den vielen Wasserwegen. Draußen auf See wärs jetzt ungemütlich, hier aber haben wir den Wind, aber keine Wellen. Also lockeres Dahincruisen. Noch eine letzte Biegung, ein letzter Stein in Wassermitte drängt uns Segler ans Ufer, dann sind wir im breiten Fjord. An dessen Ende liegt unser Ziel Norrtälje. Der Wind frischt noch mehr auf. Der Hafen ist dem Wind voll ausgesetzt. Seegang. In den schmalen Hafen ohne Kenntnisse einzufahren ist zu riskant. Wenn etwas nicht klappt, haben wir keine Möglichkeit zu wenden. Wie am Bodensee zwischen zwei Pfählen an die Hafenmauer fahren wollen wir auch nicht. Wenn da etwas schief geht, stecken wir auch dort in der Klemme. Wie entschließen uns zurück zu fahren und uns an eine der Bojen vor dem Hafen zu legen. Da liegen wir dann in der tanzenden EOS und der Wind brummt in den Wanten.

Am anderen Morgen legt der Wind eine Pause ein und wir verlegen um 7 früh in den Gästehafen von Norrtälje bevor der Wind wieder zulegt. Auch in dieser Stadt hat sich „Lidl“ ausgebreitet. Wir können da nicht widerstehen und nutzen das deutsche Angebot. Nürnberger Rostbratwürstle, Emmentaler Käse, durchgebackenes Brot, gemischtes Schwein+Rind-Hackfleisch und haltbare H-Milch, die hat Gerdi in Schweden noch nie entdeckt, trotz Hausfrauenbefragung, unbekannt! Schwer bepackt treten wir den Rückweg an und wandern am Nachmittag in die entgegengesetzte Richtung zu einem Marine-Laden. Eine Seekarte, Reinigungszusatz für Toilettentank und Pillen für den Trinkwassertank.

Irgendwie ähneln sich die Städte um den Bottnischen Meerbusen.  Sie entstanden im 18. Jahrhundert und wurden im vorletzten Jahrhundert von den Russen oft niedergebrannt. Die Häuser der Stadtkerne sind aus Holz, die Strassen gepflastert. Alles macht einen heimeligen Eindruck. Außenrum breiten sich wie überall Wohnblöcke und Einkaufszentren aus. In Norrtälje plant man einen riesigen neuen Wohn-Park mit Appartementhäusern, Freibad, Liegewiesen, Hochhäusern und architektonisch gewagten Anlagen am Fluss.

Die warme Temperatur der letzten Woche ist ins Gegenteil umgeschlagen. Statt 30 Grad nur noch 14 Grad. Nur noch die ganz abgebrühten Schweden tragen kurze Hosen. Statt dessen sieht man die ersten Daunenanoraks. Shorts und Kurzarm-Hemden hängen zu Sonderpreisen vor den Läden.