Die Farbe Grau

Windfinder hat 6-8 Bft vorausgesagt. Gibt es einen besseren Schutzhafen als den auf der Insel Dänholm? Umgeben von hohen Bäumen hält er auch den stärksten Wind ab. Und es ist ein Hafen zum Wohlfühlen. Irgendwie wie eine Gartenlaube. Der Stralsunder Segelclub heißt seine Gäste auf einer Tafel willkommen. Freundliche Clubmitglieder sorgen sich um uns. Wenn ich zurückblicke meine ich, es ist der heimeligste Hafen unserer ganzen langen Reise. Auf der einen Seite der Brücke das Museum Nautineum, gegenüber der Tonnenhof mit den Seezeichen, die hier gewartet werden. Am anderen Inselende räuchert ein Fischer seinen Fang, unsere Quelle für superfrischen Fisch. Ihm gegenüber kreischt sich die Kettensäge eines Holzfiguren-„Sägers“ durch den Stamm. Schöne Kunstwerke stehen zur Besichtigung. Ins Zentrum von Stralsund läuft man in ¾ Stunden.

Das Sturmtief hat weiter westlich Schadensspuren hinterlassen, hier hat es nur die ersten Herbstblätter und Unmengen von Kastanien von den Bäumen gefegt. Anderntags graues, nasses Wetter. Wir starten, warten im Fahrwasser bis uns die Brücke nach Rügen den Weg frei gibt. Dann motoren wir weiter, an Stralsunds schöner Kulisse vorbei und weiter auf betonntem Fahrwasser zur Insel Bock. Die Seekarte vermerkt Gebiete mit so sonderbaren Namen wie Altefähr, Bessiner Haken, Prohner Wiek, Vierendehl-Grund und die Insel Bock. Eine trübe Wetterstimmung. Es nieselt und regnet abwechselnd. Es gibt nur die Farbe Grau in allen Tönen. Wir ankern vor der Insel Bock und wärmen unsere Füße mit der Dieselheizung und einer Tasse Grog (Gerdi auch mit einer Wärmeflasche unter den Füßen). Wir genießen die Wärme noch keine halbe Stunde, da stört uns eine frische Brise aus Nord. Der Strom zwingt EOS aber eine Richtung quer dazu auf und erzeugt unangenehmes Schaukeln. Wir holen den Anker noch einmal ein und verziehen uns in das Fahrwasser nach Zingst. Dort fällt der Anker nahe grüner Boje Nr. B11. Ein schöner, wellenfreier Ort. Ringsum Natur. Schilf, Mischwald, Wasser. Schön auch bei diesem grauen Wetter. Die Dieselheizung versorgt uns mit Wärme, Gerdi bäckt zur Nes-Kaffee-Pause Pfannkuchen. Wir vermissen keinen Hafen. Ich freue mich auf den Zander, den gibt’s mit Bratkartoffeln, die ich in Gerdis Pfanne brutzeln höre. Ja, wir beide sind ein gutes Team.

 

 

Zwei schöne Ankerplätze

Halber Wind lässt uns von Greifswald an der Ansteuerungstonne „Stralsund“ vorbei zur Ansteuerungstonne „Lauterbach“ und dann weiter bis zu einer namenlosen Bucht südlich des Hafens Lauterbach segeln. Es sind einige Steine dort in der Seekarte verzeichnet, ein Riff und Rastplatz für Kormorane ragt in sicherer Entfernung aus dem Wasser. Sonst zeigt das Echolot-Bild guten Ankergrund. Auf 6m Tiefe fällt der Anker und 35m Kette folgen. Auch bei Rückwärtsdrehzahl 1500 Upm des Motors hält der Anker sicher. Der Wind weht mäßig von Land. Der Wetterbericht sagt keine Windzunahme oder Winddrehung voraus. Für unsere EOS mit 6000 kg ist der Anker mit 24 kg ausreichend bemessen. Ein guter Anker auf gutem Ankergrund sorgt für guten Schlaf. Die Abende sind immer besonders schön. Es dunkelt, ein Stern nach dem anderen zeigt sich. Wald, Häuser und das nahe Steilufer werden von den Lichtpunkten an Land abgelöst. Im Süden warnt eine Tonne mit grünen Blinks vor einem Riff, im Westen eine Ansteuerungstonne mit 3 Blinks und nur als weißer Schein der Blink des Leuchtturms auf der Insel Ruden am anderen Ende des Greifswalder Boddens. Über uns zieht sich das Band der Milchstrasse hin. So schreitet die Nacht fort und ich lege mich beruhigt in die Koje. Die Wellen plätschern leise, der Wind brummelt und EOS wiegt sich leise auf den Wellen.

Bis zum Morgen hat sich nichts geändert. Wir frühstücken, holen den Anker ein und setzen nach kurzer Motorfahrt die Segel. Dann müssen wir nach Westen in den Strelasund aufkreuzen. Vor der Stahlbroder Fähre nehmen wir die Segel herunter und fahren, das letzte Stück ganz langsam in die Glewetzer Wiek ein. Auf 3m fällt dort der Anker. Wochenende: Noch 2 Segler ankern in dieser Bucht. Vollkommene Windstille, klare Sicht. Am Ufer Schilf, Baumgruppen und Felder. Draußen im Strelasund ziehen die letzten Segler ihre Bahn. Noch einmal steigen wir kurz ins Wasser bei 15 Grad. Ein Traktor zieht Ackerreihe für Ackerreihe eine Staubfahne hinter sich her. Jetzt folgt wieder einer dieser wunderbaren Sonnenuntergänge. Der Himmel färbt sich rot und ein großer Vogelschwarm nach dem anderen zieht schnatternd über uns, wohl ins warme Afrika. Eine Stimmung, wie sie nur die Natur bieten kann, auch wenn draußen der Traktor mit seinen Scheinwerfern immer noch seine Bahnen zieht. Aber spät nachts stellt auch er die Arbeit ein. Gerdi brät guten Lachs, dazu gibt’s eine Flasche Bier und in der Plicht später ein Glas Wein.

Über uns wieder der klare Himmel. Jupiter steht als Abendstern am Himmel, Die bekannten Sternbilder leuchten. Eine friedliche Nacht. Wir haben Zeit und bleiben noch einen Tag hier. Nachmittags stellt sich das Wetter um. Wolken ziehen auf, der Wind nimmt zu, aber wir brauchen nichts befürchten. Anker und Kette werden uns halten. Wellen lassen EOS etwas schaukeln, der Wind brummt und Fallen schlagen leicht. Kein Vogel zeigt sich am Abend und die Ankerkollegen sind verschwunden. Am Morgen hat der Wind eher noch zugenommen. Stralsund meldet 5 Bft. Wir verlassen früh am Morgen den schönen Platz zur Insel Dänholm.

Reiseweg-wieder-in-Deutschland

Glewitzer Wiek copy

Ein Hafen voller alter Schiffe

Wenn ich unsere EOS mit den Schiffen im Museumshafen von Greifswald vergleiche, ist sie mit 45 Jahren eine „reife Dame“, aber bei weitem noch keine „alte Dame“ wie sie hier in Greifswald am Ufer des Ryck liegen. Sie sind zwischen 60 und 100 Jahren alt, aus Holz oder Stahl. Die meisten dieser Schiffe waren ehemalige Fischerboote. Es ist nicht einfach, diese alten Schiffe zu unterhalten.  Dauernd stehen Arbeiten an: Streichen, Lackieren, Planken oder Spanten erneuern, verschlissene Teile ersetzen. Einige dieser Schiffe gehören (wohlhabenden?) Eignern, andere einem Verein. Auf manchen Schiffen werden Ausfahrten angeboten oder sie dienen sozialpädagogischen Zwecken. Irgendwoher muss Geld für den Unterhalt kommen.

Kaum eines der Schiffe ist noch original. Die meisten wurden irgendwann und öfter den neuen Zwecken angepasst und verändert. Auch die Bootsgeschichte lässt sich durch die Wirren der Zeit oft nicht mehr feststellen.

Die Bundesanstalt für Seeunfalluntersuchungen beschäftigt sich immer wieder mit Unfällen dieser Schiffe. Kein Wunder, es fehlt doch manchmal an Geld und an professionellen Bootsbauern. Darum musste sich vor wenigen Jahren auch diese Art von Schiffen engeren Regeln unterwerfen.

Da liegt z.B. die NORDWIND, ein ehemaliger Haikutter, Baujahr, 1919. Die Werft erstellte ihn damals in 1 ½ Jahren aus Holz. EOS liegt gegenüber bei der Hanse-Werft. Diese erstellt moderne Kunststoffschiffe ähnlicher Größe in 1 ½ Monaten. Oder die stählerne JAN HUYGEN aus den Niederlanden, Baujahr 1908. Eine 35 m lange Tjalk mit Seitenschwertern, für flache Gewässer geeignet. Wir sahen sie in Sassnitz anlegen und der Skipper hat in diesem engen Hafen ein hervorragendes Anlegemanöver hingelegt.

Der Niedergang der Fischerei und dann die politischen Wirren führten zur Schließung auch der letzten Werft in Greifswald. Nachfolgend entstand dann die Museumswerft, eingetragen in die Denkmalliste der Stadt und betrieben von einem Verein. Die Werft stellt Maschinen, Geräte und Flächen zur Verfügung, für die die Eigner der Traditionsschiffe sicher sehr dankbar sind.

Klein Zicker

Klein Zicker, ist das nicht ein lustiger Name für ein Dorf und den Hügel, an dessen Fuß die paar Häuser liegen. Schon wegen des Namens sollte man das Örtchen besuchen. Vom Hafen in Thiessow kommt man über einen schönen Wiesenpfad am Ufer des Zicker Sees dort hin. Dann empfängt uns gleich ein netter Imbiss mit guten Fischsemmeln und Blick auf den stark bewegten Bodden. Viel Zulauf von Feriengästen hat dieser Erlebnisort, auch noch so spät im Jahr. Vom Hügel, nicht ganz 40 m hoch, sieht man ein kleines Segelboot weit weg in den Wellen stampfen.

EOS liegt sicher längseits im Hafen. Die Sportboote teilen sich den Hafen mit den Fischern. Die Bojenfähnchen flattern lustig im Wind. Alte hölzerne Nachen finden hier auch noch ihren Platz. Teer hält sie dicht und es riecht aromatisch. Ein Ort mit Leben. Zweimal in der Woche gibt’s Markt hier. Im Sommer ist der große FKK-Campingplatz am Sandstrand begehrt.

Es lässt sich an diesem Ort gut ein Starkwind-Tag verbringen. Man muss nicht immer auf dem Wasser unterwegs sein.

Groß Zicker gibt’s übrigens auch: Es liegt auf der anderen Seite des Zicker Sees.

Windkraft

Wenn wir im Kalmarsund zwischen dem Festland und der langen, schmalen Insel Öland segeln, fallen die vielen Windmühlen auf der Insel auf. Der Wind wurde schon lange Zeit zum Mahlen des Korns, das dort angebaut wird, genutzt. Klar, die Hochfläche ist voll dem Wind von der Ostsee ausgesetzt und nur wenige Bäume mindern auf dieser Hochfläche die Windkraft. Ich kann mir vorstellen, dass damals die Müller während kräftiger Winterwinde in ihren zugigen Mühlen ihrer harten Arbeit nachgingen. Kräftiger Wind war wohl nötig um die schweren Flügel, hölzernen Achsen und Getriebe und die Mühlsteine in Bewegung zu setzen. Wie grazil sehen nebenan die riesigen hohen modernen Windräder aus. Kein Mensch ist vor Ort notwendig, die erzeugte Kraft wird über Leitungen nach andenorts übertragen und genutzt.

2000 Bockmühlen dieser Art solls gegeben haben, jetzt stehen noch 400, habe ich gelesen. Manche schön erhalten, andere verfallen langsam. Ist es nicht gut, dass der Wind immer noch, ja verstärkt auf die Art unserer Zeit genutzt wird?

 

Eine steinreiche Bucht

Die Insel Alö verzweigt sich an ihrer Ostseite in eine vielarmige Bucht mit vielen sichtbaren und unsichtbaren Steinen. Mit Schleichfahrt steuern wir in der Einfahrt um die ersten Unterwasser-Felsen. Dann fesseln uns die Möglichkeiten hier in dieser Bucht. 6 Meter zeigt das Echolot, dann 3, dann 0,7. Voller Rückwärtsgang, aber zu spät. Ein Schlag, EOS schüttelt sich und steht. Da haben wir einen Fels übersehen. Er ist als winziges Kreuz in der Seekarte vermerkt. Ärgerlich, man darf sich nicht gleichzeitig mit zwei Problemen befassen: Den sicheren Weg wählen nach einem Ankerplatz Ausschau halten und dazu noch Reden. Gut dass die stabile EOS so einen Schlag mit einer kleinen Delle am Kiel wegstecken kann. Nach einigem Suchen steuern wir äußerst vorsichtig eine passende Schäre an, senken den Heckanker und sichern den Bug mit den Leinen an zwei Kiefern. Gerdi stellt den Motor ab und nun ist Stille um uns. Wie angenehm! Der Blick in die Runde. Vor uns die hohe, dunkle Schäre, etwas Schilf, Kiefernwald und ein Zweig über dem Bug unserer EOS. Vier Schiffe teilen sich die große Bucht. Flache Riffe ragen kaum aus dem Wasser. Rundum Fels und Wald.

Das Schiff zu verlassen ist einfach. Ein Sprung vom Bug und man steht auf dem Felsen. Bei meinem Spaziergang nehme ich diesmal das GPS mit. Der wilde Wald ist überall gleich. Vor ein paar Tagen habe ich mich in ihm fast verlaufen. Ich blicke von der hohen Schäre nahezu senkrecht auf unser Schiff herunter. Gerdi spielt Flöte und ich höre die Musik beim Laufen. Bäume und Felsen sind mit vielen Arten von Flechten und Moosen überzogen. Was alt ist fällt um und vermodert. Der harte, von Gletschern der Vergangenheit glatt geschliffene Granit bietet den Schuhen besten Halt. Zurück am Schiff umfängt mich wieder die Stille. Nur die Wipfel der Bäume rauschen leise im Wind. Diese Ruhe vermisse ich am Bodensee. Gegen Abend färben sich Fels und Wald rötlich, das Rot der höheren Breiten, bei uns im Süden ganz selten und nur im Winter. Das Ufer spiegelt sich im vollkommen stillen Wasser. Unglaublich schön hier. Gerdi zaubert Selleriebrätlinge zum Abendessen. Dazu gibt’s rote Linsen und das dünne schwedische Bier. Schmeckt auch (noch).

Die Nacht ist jetzt wieder dunkel, Planeten und Sterne ziehen ihre Bahn. Das volle Programm der Gestirne fehlt noch, dazu sind wir um diese Jahreszeit doch noch zu hoch im Norden.

Von der Großstadt in die lauschige Ankerbucht

Wir haben in den vier Tagen in Stockholm ein wenig Gefühl für die Hauptstadt Schwedens bekommen. Gelassen, gut organisiert und sehr sauber.

Jetzt möchten wir wieder segeln. Daraus wird aber nichts, der Wind kommt genau von vorne und das Fahrwaser ist schmal. Kurz nach Stockholm zweigt ein schmaler, tiefer, von hohen Schären umgebener Fjord nach Süden ab, Üppige Villen an beiden Seiten. Lange Treppen führen zu den Bootsstegen hinunter ans Wasser. Die Wellen der vorbeifahrenden Schiffe können sich an den steilen Schären nicht totlaufen. Die Eigner heben deshalb ihre Boote mit elektrischen Liften aus dem Wasser. Bevor der Fjord wieder breit wird, durchfahren wir noch eine enge, flache Strecke mit verringertem Tempo. Dann bläst uns der Südwind wieder von vorne an. Nix Segeln. An unserem ersten geplanten Ankerplatz greift der Anker nicht: Steingrund.

Vorbei am Schloss auf Rägholmen. Dann eine Kurve um Erstholms Südwestspitze und nun regnet es leicht. Aber voraus sehen wir die enge Einfahrt in die Kolnäsviken. Die Bucht ist so schön und sicher, dass sie andere auch schon kennen. Um uns Wald und Fels. Wir ankern mit zwei anderen Seglern inmitten der Bucht. Andere Segler legen sich mit dem Bug an eine Schäre. Der Anker greift sofort und nur gelegentlich schafft es eine Böe bis zum Wasser. Gerdi bereitet den Lachs zu, Das Abendessen ist immer ein später Höhepunkt des Tages. Der Regen rauscht ganz leise auf die Kajüte. Sehr heimelig hier auf unserer EOS.DSC_1464

Lachs, Sauce, Karoffeln sind dann wirklich gut! Die feinen Regentropfen summen auf dem Kajütdach, nur gelegentlich von einem kurzen Schauer unterbrochen. EOS bewegt sich leise am Anker vor dem rabenschwarzen, nahen Wald. Irgendwann nach Mitternacht schütten die Wolken alles was sie noch haben auf uns. Irgendwann schlafe ich bei dem wilden Trommeln ein.

Und am Morgen? Die Sonne scheint, mildes Licht umgibt die Bucht. Kein Laut (auch kein Vogel). Das Wasser ist badewarm. Was bringt der neue Tag?