Der Reisekreis hat sich geschlossen

Eine Mail an die Begleiter auf der Reise

Die Ansteuerungstonne „Ariadne“ schaukelt einsam mitten im Boddengewässer zwischen Rügen und Greifswald.

Liebe Reiseteilnehmer,

gestern hat uns EOS an dieser Tonne in flotter Fahrt vorbei gesegelt. Ein besonderer Augenblick, denn als wir im April zu unserer Ostseereise gestartet sind, haben wir am zweiten Tag diese Tonne auf dem Weg nach Polen passiert. So hat sich dieser „Reisekreis“ hier und jetzt geschlossen. Drei Wochen möchten wir in diesen Gewässern noch segeln, dann werden wir am 7. Oktober die Reise in Neuhof bei Stralsund beenden.

Jan und HaJü, ihr hattet mich auf dem kältesten Teil der Reise begleitet und dazu noch bei heftigem Gegenwind. Das war alles andere als angenehm. Kein Wunder, dass uns die Ostsee alleine gehört hat. Es gibt eben nicht viele „harte Hunde“ dieser Art. Dann waren da noch die Schießgebiete als Relikte vergangener Verteidigungsstrategien. Hinter Kaliningrad haben diese Millitäreinrichtungen nirgends mehr eine Rolle für uns Segler gespielt. In Danzig fand dann Euer Reiseteil noch ein kulturelles Ende. Ob Ihr wohl vor Reisebeginn mit diesen widrigen Wetterverhältnissen gerechnet habt? HaJü, da ist selbst ein nordschwedischer Kälteanzug überfordert. Herzlichen Dank, dass Ihr mich auf diesem ersten Kälteteil begleitet habt! Ich reiste heim zur Hochzeit unsrer Tochter im Allgäu!

Rainer, wir haben in Danzig einige Tage auf gutes Wetter gewartet, dann ging’s rüber nach Hel und von dort bei nahezu Windstille weitab von russischem Staatsgebiet in einer Nachtfahrt nach Klaipeda. Was wohl aus dem „Goldfisch“ geworden ist, der das gute Zeitfenster verstreichen ließ? Und es hat sich auch nie geklärt, warum er in Kolberg(?) aus einem komplett leeren Hafen vertrieben wurde, während wir bleiben konnten. Hafenmeister-Ideen können seltsam sein. Dann hat uns wieder Gegenwind empfangen und auch wir wurden nicht von Kälte und Spritzwasser verschont. Etwas ruhiger wurde es dann zwischen den estnischen Inseln. Leider blieb auf dem Weg dorthin mein guter Bügelanker auf steinernem Meeresgrund. Vor Tallinn mussten wir  wegen sehr unangenehmem Gegenwind vorzeitig noch einen geschützten Ankerplatz neben einem Fährhafen ansteuern. Tallinn war unsre Bunkerstation für Bier. Die Dosen haben dann auch monatelang in Finnland und Schweden gereicht. Rainer, danke dass Du dabei warst!

Mit Gerdi ging es am 7. Juni von Tallin neben der Fährroute nach Helsinki, ein Tagestrip. Ab da galt die Aufmerksamkeit der Kardinalbetonnung mit den diversen Farbkombinationen Gelb und Schwarz. Verwirrung wenn man nicht weiß in welche Himmelsrichtung man gerade fährt. Aber man gewöhnt sich schnell daran, wenn der dazu extra angeschraubte Kugel-Kompass ständig direkt vor einem ist und die Richtungsbedeutung der Farbkombinationen auf einem Zettel in der Plicht sichtbar ist. Von Helsinki nach Hanku war dann die gesamte Schärenpalette geboten. Fröhliches Fahren durch enge und weite Fahrwasser, vorbei an 1000 Pricken, vor hohen Wellen geschützt, aber auch in den flachen, baumlosen Außenschären ohne Windschutz mit ganz kleinem Vorsegel zwischen schmalen roten und grünen Torpricken durch und um viele viele gelb/schwarze Untiefen-Pricken herum. Fehler darf man sich hier keine leisten und immer ist nur das flache Wasser zwischen 3 und 10 Metern unterm Kiel! Dösen an der Pinne nicht erlaubt. So konzentriert ging’s dann nahezu die ganze Reise nach Norden und rüber nach Schweden. Der GPS-Strahl war unsre Leit-Linie. Außer an den „Hohen Küsten“ in Schweden. Dort sind die „Berge“ bis 300 m hoch und die Fahrwasser tief und die Ankergründe gut. Da konnten wir auch mal kreuzen. Die Schweden werfen gerne den Heckanker und machen mit dem Bug an steilen Schären fest. Das hat bei uns anfangs nicht gleich geklappt. Aber wir beide lernten es schnell und fanden es auch gut, direkt vom Schiff an Land steigen zu können.

An der Ostsee weht der Wind viel kräftiger als bei uns am Bodensee. Ab September war er dann ein richtiges Hindernis. Immer aus Süden, wohin wir wollten. Manche Tage verbrachten wir im Hafen. Und bei der 25-stündigen Überfahrt von Karlskrona nach Sassnitz wehte es ausgerechnet stark direkt von achtern. Eine wilde Schaukelei mit einer Regendusche im Morgengrauen. Wenn ich mich recht erinnere war das der einzige richtige Regentag der ganzen Reise. Wasser kam eher von der See hoch.

Jetzt in Greifswald warten wir wieder auf weniger Wind. Wir haben noch viel Zeit bis zum Auswassern. Gerdi und ich, wir beide sind ein eingespieltes Team. Gerdi steuert viel exakter als ich. Ihre Anlegemanöver sind vorsichtig und sicher. Und zu zweit ist das Leben auf dem Schiff doch einfacher und die Bordküche gut. Schön, dass Du dabei bist. Ohne Dich hätte ich die Reise wohl nicht unternommen. Eigentlich müsste ich Dir jeden Tag danken.

Jetzt genießen wir  die letzten Seemeilen an der Küste, werden noch da und dort ankern und kleine Häfen besuchen, bis am 7. Oktober EOS aus dem Wasser gehoben wird. EOS hat uns nie im Stich gelassen. Sie ist klein aber stark. Wir haben uns nie unsicher gefühlt. EOS gehört zum Team.

Gestern war die Ostseerunde beendet und heute am Sonntag haben wir den riesigen St. Nikolai-Dom zu einem Dank-Gottesdienst besucht. Eine lange Reise, keine ernsthaften Probleme. Gottes Segen war mit uns.

Herzliche Grüße mit viel Dankbarkeit sendet Euch

Gerhard

Abschluss der Reise in Deutschland

Der Reiseweg in den Boddengewässern bis sich der Reisekreis geschlossen hat

Reiseweg(4)

Der gesamte Reiseweg bis zur Rückfahrt in die Boddengewässer


GERDI:

Dank sage auch ich meinem Mann, dem Navigator der langen See-Reise mit ca. 4800 km über mehr als 5 Monate. Er hat mich immer ermutigt, wenn ich -trotz all meiner Segelerfahrung!- ein wenig zaghaft wurde angesichts des starken Windes. Auf dem Törn reparierte er wo nötig alles selbst (bis auf das eingerissne Vorsegel in Nynäshamn) und war der zuverlässige Frühstücksboy. Unsere Rucksack-Einkaufstouren waren stets spannend… Ich gab mir als Smutje alle Mühe, abwechslungsreich und gesund zu kochen, denn gutes Bordessen hält Leib und Seele zusammen.

Seit 1981 segeln wir nun gemeinsam, das schmiedet aus 2 Ehepartnern ein gutes harmonisches Team. Seemannschaft ist an Bord lebensnotwendig, und um Gottes Hilfe betete ich nicht vergeblich. So geht dieser für uns zwölfte große mehrmonatige Segeltörn bald zu Ende und wir wissen um die Gnade, solche Reisen unternehmen und meistern zu können- ohne Schaden an Mannschaft und Boot. Unsere EOS ist nun 45 Jahre alt und wir führten sie in das Land ihrer Erschaffung zurück, nach Schweden.. Auch das war ein Erlebnis. Wir blicken als über 70-jährige Segler dankbar zurück und hoffen, dass euch Lesern unsere Erlebnisberichte und Fotos im  Blog gefallen haben.

 

Wieder im Heimatland

Ein paar Tage liegen wir in Karlskrona um ein günstiges Wetterfenster für die Überfahrt nach Deutschland abzuwarten. Bisher seit Wochen nur Südwind über 4 Bft. Ab Samstag soll der Wind günstig auf Nord drehen. Das tut er auch.

Eine letzte Ankernacht vor der Insel Aspö und nach Sonnenaufgang „Anker auf“.

06.15: U-Boot-Sperren bei Drottningskär passiert (da hat sich 1981 ein sowjetisches U-Boot „verlaufen“, wohl auf der Suche nach dem Schwedischen Militär-Marinehafen)

Abfahrt von Schweden(Copy)

06.45: Der Motor hört sich plötzlich wie ein Traktor an und die Kühlwassertemperatur steigt. Ursache ist ein verschlissener Kühlwasserpumpen-Impeller. Austausch nach 30 Minuten erledigt. Erkenntnis: Impeller regelmäßig wechseln!

DSC08270 (Copy)

Um Bft 6 im Bereich der Boddengewässer zu vermeiden, müssen wir bis Montag am Mittag in Sassnitz sein. Deshalb lassen wir den Motor zum Großsegel mitlaufen. Wind 2 Bft direkt von achtern. Die schwedische Küste wird immer kleiner. Eine sehr schöne Segelzeit in diesem besonderen Revier geht zu Ende. Der Steuerautomat hält EOS auf Kurs, muss aber wegen der achterlichen Wellen und dem heftigen Schaukeln kräftig arbeiten. Wir möchten ihn nicht überlasten und steuern von Hand. Wachwechsel alle 2 Stunden.

14.00: Wind weiterhin genau von achtern, höhere Wellen, ein Reff ins Großsegel. Eine Bullentalje verhindert ein Überschlagen des Segels. Dauerndes von Hand Steuern bei diesem Wind ist unangenehm.

14.30: Wir ändern den Kurs, um das Verkehrstrennungsgebiet schneller zu queren. Jetzt, entlang, aber außerhalb dieses Großschiffahrtsweges begegnen uns Frachtschiffe wie auf einer Perlenkette aufgereiht. Was sich da so alles auf dem Wasser bewegt! Stückgutfrachter, Autotransporter, Containerschiffe, undefinierbare Spezialboote. Die Insel Bornholm kommt in Sicht und sie begleitet uns stundenlang an Backbord.

18.00: Abendessen: Von Gerdi vorbereitete breite Nudeln mit Schinken. Für diese Zeit steuert der Automat und wir beide essen gemeinsam in der Kajüte. Eine schöne Dämmerung. Bornholm löst sich langsam im Dunkeln auf, nur der Leuchtturm von Rönne sendet weiter seine Blitze zu uns und der Lichtschein der Stadt leuchtet in den Wolken.

Copy v.Schaukelei 25 Std. Karlskrona bis Sassnitz (22) (Copy)

02.00 Uhr: Gerdi weckt mich wegen starkem Schiffsverkehr. Ein weiteres eigenartiges Erlebnis: Hunderte von roten und weißen Lichtern blinken im Takt. Ein tolles Bild nächtliches Bild liefert so die Baustelle von ENBW an diesem neuen riesigen Offshore-Windpark. Die GPS-Route führt uns nahe daran vorbei. Leider haben wir keine Zeit, dieses skurrile Bild zu genießen. Drei undefinierbare nahe Schiffe und einige Bojen erfordern volle Aufmerksamkeit und Kurskorrekturen. Das Funkgerät liegt für eine Kommunikation bereit. Erste Müdigkeit durch das konzentrierte Steuern. Es beginnt zu regnen, richtig fest. DAS ERSTE MAL SEIT BEGINN DER REISE VOR FAST 6 MONATEN.Copy v.Schaukelei 25 Std. Karlskrona bis Sassnitz (19) (Copy)

04.30: Mit Leuchtfeuer Puttgarten begrüßt uns die Insel Rügen. Weiterhin anstrengendes Handsteuern bei Bft 4, jetzt Gott sei Dank der Wind etwas seitlicher. Stockdunkle Nacht. Fähren mit ihrer Christbaumbeleuchtung tauchen auf und verschwinden wieder im Regengrau. So eine Nachtfahrt in belebtem Seegebiet ist irgendwie schön und doch auch unheimlich. Man sieht nur Lichter, aber man weiß was sie bedeuten und mit Hilfe der Seekarten werden die Situationen (meistens) klar. Und es vertreibt die gefährliche Müdigkeit. Wir sind nur zu zweit…

Copy v.Schaukelei 25 Std. Karlskrona bis Sassnitz (12) (Copy)

05.30: Es dämmert ganz langsam. Zuerst wird der Horizont schwach sichtbar, dann zeichnet sich das Segel gegen den Himmel ab. Eine Stunde später tauchen die hohen Kreidefelsen an Steuerbord auf. Alles grau im Regen. Die Lichter vom Zielhafen weisen nun den Weg. Gerdi kommt ans Steuer. Segel einholen, Leinen an Bug und Heck und weiter mit Motor um den grünen Leuchtturm an der Hafeneinfahrt von Sassnitz.

07.00: Nach 130 Seemeilen (240 km) und 25 Stunden nonstop Leinen fest an Pollern und Steg. Wir sind wieder im Heimatland.

 

Stora Alvaret auf der Insel Öland

Reiseweg(1)

Nur ein kurzer „Sprung von Kalmar nach Morbylånga auf der langezogenen schmalen Insel Öland. Am Abend beim Essen noch Pularbeit mit den guten Skampi.

 

Vor einigen Tagen wusste ich nicht, was eine Alvar ist. Gestern waren wir zu Fuß am Rande dieser Kalkstein-Hochebene. EOS haben wir in Mörbylånga gelassen. Ein fast schnurgerader Weg führt zuerst 4 km durch Ackerland. Heiß brennt die Sonne. Danach, am Hang zieht sich ein kleines Dörfchen entlang. Nette Häuschen, aber auch technisches Bauerngerät, das nicht mehr gebraucht wird. Dann die Ebene, die Stora Alvaret (Große Alvaret). Wir finden erst keinen Zugang vor lauter Weidezaun. Erst zwei Bewohner zeigen uns den Weg dort hin und erklären uns, dass wir ruhig das Gatter öffnen können und wir die Kühe und sie uns nicht stören.

Da liegt das Alvaret, bretteben, nur niedere Büsche, Wacholder, Hagebutten und die winzigen, linsengroßen, uns völlig unbekannten Blümchen. Alles hat sich an diese besonderen Lebensbedingungen angepasst. Heiß und trocken im Sommer, kalt und außerordentlich windig im Winter. Die letzte naturbelassene Alvarebene Europas und die größte der Welt. Unbekannt und fürs Auge unscheinbar und Weltnaturerbe. Glatt geschliffene Findlinge hat der letzte gestorbene Gletscher hier abgelegt. Fast das gesamte 40 km lange und bis 10 km breite Gebiet wird von Kühen beweidet. Nichts Großmächtiges, aber doch etwas Wunderbares und Seltenes.

Der Rückweg dann wieder vorbei an riesigen Feldern mit Mais und niedrigen gelben Bohnen. Aber wo bleibt in diesen Feldern der Nebenbewuchs? Vielleicht sagt der Bauer dazu Unkraut und setzt Chemie ein? Lerchen und Milane scheinen sich aber doch hier wohl zu fühlen. Die Lerchen mit ihrem schwingenden Flug und der Milan, der geschickt den starken Wind zum Segeln nutzt.

Wieder in Mörbylänga, kehren wir zum Fischessen im nahen Lokal ein. Der Hafen ist seit heute, ersten September, geschlossen. Natürlich kann man ihn nutzen, aber ohne Service. Kost aber nixxx mehr. Strom liefert die Solarzelle, Toilette haben wir und waschen können wir uns auch am Schiff. Der Hafenmeister erklärt uns, nur einen Monat von Mitte Juli bis Mitte August sei wirklich Betrieb.

 

Schön, dass wir hier in diesen etwas abgelegenen Hafen gefunden haben. Gepflegte Blumen, Bänke, ein Badeplatz mit Leiter, sehr schön das Clubhaus mit Dusche.

Gerdi 1.9 (2) (Copy)

 

Nur auf Öland gedeihen die Braunen Bohnen, weil das Klima frostarm und mild ist.

Braune Bohnen v. Öland

Mit voller Anspannung in die schöne, stille Bucht

Pricken, Echolot und GPS im Blick

Unsere Ankerbucht ist unheimlich. Erst beim zweiten Versuch greift der Anker. Der Wind weht kräftig vom bedeckten Himmel und trägt Schwell und das Grollen der nahen See in die Bucht. EOS schaukelt.  Anderntags brechen wir um 07:30 Uhr auf. Wir möchten dem starken Wind, der im Laufe des Vormittags einsetzen soll, zuvor kommen.

Das Fahrwasser verläuft nahe den äußeren Schären und windet sich um Steine die sich unter Wasser verbergen. Manche sind durch grüne und rote Pricken markiert. Das Echolot-Bild zeigt ein wirres Gebirge. Die Tiefe springt von 15 Meter auf 1,8m. Das belastet die Nerven. Wir reduzieren die Geschwindigkeit auf ein Minimum. Rechts und links begleiten uns flachgeschliffene Felsen, die gefährlichere Sorte begleitet uns unsichtbar unter Wasser. Dann verlassen wir das aufreibende Fahrwasser für einige Meilen vorbei an Oskarshamn. Noch einmal die gleiche anstrengende kurvenreiche enge Strecke. Diesmal begleiten uns schmucke Ferienhäuser. Vor den meisten weht der lange blau-gelbe Wimpel.  Das GPS ist eine großartige Hilfe, zeigt es doch metergenau unseren Standort auf der elektronischen Seekarte. Dort sehen wir alle verborgenen Steine und Inselchen und die Wassertiefe in verschiedener Färbung. Was muss das aufwendig gewesen sein, als es noch keinen GPS-Standort gab! Jede passierte Pricke und jede Schäre abhaken. Hat man sich verfahren, wie fand man dann wieder heraus? Und die bösartigen Unterwassersteine? Respekt, wer sich dort zurecht gefunden hat! Auch kein Weg bei starkem auflandigem Wind. Brecher und Strömungen müssen dann brutal sein.

Wenn Ihr diesen Link öffnen könnt, dann seht Ihr bei starkem hineinzoomen, wie kompliziert der Fahrkurs ist.

Die stille Bucht

Vorsichtig kurven wir in unsere Ankerbucht. Auch hier warten ein paar Unterwassersteine. Testweise fahren wir eine Schäre an. Ein Handbuch sagt: So steil wie die Schäre ins Wasser ragt, geht sie unter Wasser weiter. Stimmt! Im zweiten Anlauf senken wir den Anker und binden EOS mit zwei Leinen am Ufer fest. Toll, dieses Schären-ankern! Da haben in einer Bucht viele Boote Platz. Wir sind aber in dieser großen Bucht wie meistens alleine. Wir steigen ans Land und durchwandern die moosweichen Pfade und glatten Schären. Im letzten und vorletzten Jahrhundert war hier ein großer Granitsteinbruch. Abbruchkanten und Abfallsteine findet man überall. Hinweistafeln informieren über die harte, entbehrungsreiche Arbeit. Die alten Fotokopien zeigen schmale, knochige Männer. Der Bodymaßindex war wohl bei diesen Arbeitern kein Problem. Was ist mit den rotbraunen, dürren Kiefern los? Bei manchen löst sich die Rinde vom Stamm und Käfergänge zeigen sich. Borkenkäfer? Der trockene vergangene Sommer?

Heute gibt’s Ratatouille. Gerdi ist fleißig dran und ich freue mich aufs Abendessen! Und es schmeckt danach auch gut.

Das Firmament zeigt volles Programm

Wir sehen kein künstliches Licht in unserer Bucht. Der Wald zeigt sich als gezackter Schatten gegen den Horizont. Darüber breitet sich das Firmament in voller Pracht aus. Die hellen Sternbilder Großer Wagen und Castor und Pollux  dominieren. Die Milchstrasse durchzieht als milchiges Band die Sternbilder. Die mächtigen Planeten Jupiter, Saturn und Mars stehen noch unsichtbar unter dem Horizont. In den hohen Breiten haben wir zugunsten des langen Tages auf dieses Schauspiel verzichtet. So legen wir uns zufrieden in unsere Kojen.

 

Bootsbauer am Werk

Früher war der Gavlean an seiner Mündung ein lebhafter Handelshafen mit Lagerhäusern auf der einen Seite und Fabriken auf der anderen. Schiffe kamen und fuhren wieder. Aber Kleintransporte und manche Industrien lohnten nicht mehr. Jetzt ist die Mündung des Flusses schön sauber in Beton gefasst, Sportboote haben hier ihren ruhigen, zentralen Platz und auf der Nordseite wuchsen moderne Häuser. Die Südseite ist von Industrieruinen befreit und liegt brach. Wie lange noch? Halt, ganz am Ende des Flusses, dort wo er in das weite Hafenbecken mündet, hat sich ein besonderes Plätzchen erhalten. Kleine Schiffe, vor langer Zeit erbaut, haben hier ihren Liegeplatz gefunden und mit ihnen Menschen, die wenig mit uns modernen Skippern gemeinsam haben. Sie versuchen, ihr Schiff zu erhalten. Ob ihnen das gelingt, bezweifle ich manchmal. Einiges macht einen Eindruck als wären Profis am Werk. Anderes wiederum lässt Fachwissen vermissen. Es scheint auch nicht nur Arbeitsstätte zu sein, sondern auch Haus oder Wohnung. Die liebevolle Gestaltung an Deck und in der Umgebung lässt das vermuten. Wichtige Ausrüstungsteile, durch Wetter und Salzwasser gealtert warten auf Verwendung, nicht auf Abtransport.

Wie lange wird sich dieser aus der Zeit gefallene Ort halten? Sicher haben Immobilienfirmen ein Auge auf dieses Gelände mit der wunderbaren Aussicht geworfen. Vielleicht bleiben die Stadtväter und Stadtmütter noch lange standhaft. Ich wünsche es den Flussbewohnern.

Die wilde Ankerbucht

Malskersören und Malskäret sind zwei längliche Inselchen, liegen paralell nebeneinander und bilden in ihrer Mitte eine Art See. Das Besondere: Der Grund hält den Anker! Eine Rarität in den nördlichen Schären. Seht dieses Bild an!

In der Ankerbucht (Copy)

Unmöglich einen Weg in diese Bucht zu finden, wären da nicht die Seezeichen und eine Angabe über die garantierte Wassertiefe von 2,6 m. Mit Schleichfahrt winden wir uns um die Pricken. Auf beiden Seiten, ganz nah, Felsriffe. Eine leichte Brandung bricht sich dort. Die Einfahrt lässt sich nur ahnen. Erst ganz zum Schluss öffnet sich die Bucht im rechten Winkel. Am Ufer Steine, Fels und wildes Gebüsch. Ein winziges Häuschen auf der südlichen Insel. Wir ankern auf 7 m Wassertiefe mit 40 m Kette. Auch bei 1500 Upm rückwärts hält der Anker. Sehr beruhigend. Ich blase Microeos, unser Schlauchboot auf und putze die hässlicher braunen Flecken an der Bordwand weg. Gerdi zaubert unterdessen Kartoffelsalat und brät Ripperl. Grillen fällt wegen Regen aus. Der erste Regen seit Beginn der Reise. Abends brummt der Ostwind in den Wanten. Wir hören Musik, lesen und bearbeiten die Laptop-Tastatur. Draußen düstere wolkenverhangene Stimmung, passt irgendwie zu dieser verwunschenen Bucht.

Wir möchten nach Schweden, Kurs Nordwest. Wegen der vielen Schären müssen wir erst 5 Seemeilen nach Norden. Gerade aus dieser Richtung sind für heute, Dienstag 5 Bft vorausgesagt. Morgen soll er sich auf 3 Bft reduzieren. Also bleiben wir. Ich bin dankbar für diesen „gewonnenen“ Tag.

Mittwoch: Für Nachmittag ist Starkwind angesagt. Wir legen deshalb EOS an eine Boje und testen den Halt mit 1500 Upm Rückwärtsfahrt. OK. MICROEOS bringt mich die paar Meter zum Ufer. Auf der einen Seite ein schöner Blick auf die EOS, auf der anderen Seite über die vielen Granitblöcke. Dazwischen Heidelbeersträucher, Akazienbäume und kleine Blütchen. Ein kleines Schild begrüßt die Gäste und weist wohl auf Verhaltensregeln hin. Daneben eine Abfalltonne. Wie überall auf der Insel keinerlei Abfall, auch nicht auf den beiden winzigen Grillstellen. Ganz hinten die  vielen Felsen im flachen Meer. Viele Gäste kommen hier bestimmt nicht her.

Auf der gegenüberliegenden Insel stehen zwei winzige Ferienhäuschen zwischen den Büschen, außen etwas reparaturbedürftig, innen zeigt der Blick durchs Fenster eine gemütliche, einfache Wohnstube.

Nachmittags brummt der Wind in den Wanten, die Wellen plätschern leise und irgendetwas klappert immer an Bord. Auf der Nachbarinsel, beim Leuchtturm Valsörana zeigen die Messwerte der Windfinder App Bft 4 und in Böen Bft 6 an.

Anderntags nimmt sich der Wind zurück. Die Wellen kommen chaotisch, EOS schwankt heftig. Sonst ereignet sich auf der Überfahrt nach Umea nicht viel. Oder? Wir queren um 15 Uhr die Grenze zu Schweden, holen die finnische Flagge ein, setzen die Schwedische und trinken einen Schnaps auf diese friedlichen Länder.In Umea erreichen wir den nördlichsten Punkt mit 43° 43´.

 

Jetzt gehts zu den Schären

Noch einmal durchstreifen wir Tallinn. Die Stadt hat viele Gäste von zwei Kreuzfahrtschiffen. Sie bevölkern die interessanten Orte, geführt von Damen und Herren mit weißen Täfelchen. Jeder mit einem Empfänger vor der Brust.

Heute zeigt sich der Himmel von seiner angenehmen Seit. Gerdi und ich verlassen Tallin Richtung Helsinki. Sonne und Wind schräg von vorne. Die schöne Silhouette verschwindet langsam im Dunst und etwas später die pfannkuchenflache Insel Aegna auch. Der Automat steuert und wir frühstücken. Wind, aber keine Wellen.

Ich habe den Kurs etwas östlicher als den der Fähren zwischen Tallinn und Helsinki abgesetzt, damit wir uns gegenseitig nicht stören. Nach 6 Stunden erkennen wir die ersten Inseln und eine Stunde weiter nehmen wir die Fok weg, um langsamer zu werden, später auch das Großsegel. Wir müssen uns erst mal an die Betonnung gewöhnen. Am wichtigsten sind die „Stifte“ im Wasser mit den Farben Schwarz und Gelb. Schwarz-Gelb, Gelb-Schwarz, Schwarz-Gelb-Schwarz und Gelb-Schwarz-Gelb geben an in welcher Himmelsrichtung vom Stift sich die Untiefe befindet. Und die Schlangenlinien sind wirklich eng und das Felschen oder Land ist nur ein paar Meter weg. Man sollte sich hier keine Verwechslung leisten. So schlängeln wir uns um halb Helsinki herum. Es ist Freitag, Wochenend-Wasser-Ausflugsverkehr. Segelboote ziehen ihre Linien und Motorboote flitzen. Sechs mächtige Eisbrecher liegen zur Wartung still. In einem der vielen Häfen melden wir uns an und liegen nun am Fingersteg wie die vielen anderen Boote auch.

DSC_1200

 

DSC_1198

Kleiner Nachtrag von Gerdi, Link antippen zu Text u. Fotos:

https://gerdi-geschichten-daily.com/2019/06/07/in-11-stunden-unter-segeln-von-tallin-nach-helsinki/