Rück-Blick: 1. Die Donau

 

 

 

Wehmut weil die Reise Vergangenheit ist. Freude weil wir beide sie in guter Stimmung und ohne Unfälle abschließen durften. Eine göttliche Hand hat über uns gewacht.

10 Länder hat EOS durchfahren, 2 Länder, Moldavien und die Ukraine waren uns verwehrt. Wir konnten dem Soldaten mit geschultertem Gewehr auf seinem Wachturm am ukrainischen Ufer nur vom Fluss aus zuwinken.  Sein langsames Schwenken der Hand. Welch ein trauriger Augenblick! Dann die beiden Fischer aus Moldavien in ihrem alten, kleinen Nachen, die uns Fische anboten. Freiheit, nicht überall.

Fröhlich und schnell eilt die Donau im Oberlauf. Zwischen Straubing und Deggendorf, dort, wo ihnen Wasserbauer keine Fesseln anlegen wird es ein heißer Ritt mit wenigen Zentimetern Wasser unterm Kiel, manchmal Hopser auf dem Kiesgrund. MARTINA, der Frachter aus NL, fährt vor uns und wir in seinem Kielwasser. Er hat wie wir 1,50m Tiefgang…

 

Ab dann gibt’s keinerlei Probleme mit dem Tiefgang mehr auf der Donau. Die Besenwirtschaften mit ihren Brotzeiten und dem guten Weißen waren- wenn ich zurück blicke- das Beste was wir auf der ganzen Reise zu Essen und Trinken bekommen. Einfach aber wunderbar. Ein fröhlicher Reiseabschnitt. Rainer und Günter, danke dass Ihr mich auf dem Abschnitt von Saal bis Budapest begleitet habt!

In Budapester Bahnhof Keleti löste sich Gerdi lächelnd aus der ankommenden Menschentraube. Ab jetzt sind wir beide wieder das Team. Die Donau nun schon breit und behäbig und wir mit unserer kleinen EOS dürfen sie bereisen! Mitten durch die großartige Stadt und hinaus in die Natur. Ab jetzt gibts kaum mehr Häfen. Gut so. Ankern im Strom ist viel schöner. Schlick hält den Anker exzellent, ruhige Nächte sind gesichert. Leise plätschert das Wasser an der Bordwand.

Slowakei+ Rumänien sind für uns, die wir in gut organisierten, reichen Ländern leben, arme Länder, aber die Menschen leben nicht weniger fröhlich als bei uns. Apatin, Jelen Bräu, mit den vielen Fahrrädern am Tor. Alle einfach, Torpedo-Dreigang, wie ich sie als junger Bursche gefahren habe. Die Häuser für unsere Begriffe trist und farblos. Die Menschen aber freundlich, fröhlich und hilfsbereit.

Ein Abstecher die kroatische Drau hoch nach Osijek war uns durch Missverständnisse mit dem Zoll verwehrt. Der Hafenmeister, die Zöllnerinnen und sogar das Militär halfen uns, leider erfolglos. Schließlich mussten wir beim ersten Licht des Tages wieder zurück nach Serbien „flüchten“. Unsichtbare Wände an unsichtbaren Bürotischen von misstrauischen Beamten geschaffen, schade.

Belgrad. (anclicken + lesen, Wikipedia) Wie die meisten Hauptstädte: die Zentren mächtig, das Umfeld eher dürftig. Wie bei uns sitzen die Leute in den zahlreichen Cafés. Schön herausgeputzt die jungen Mädchen. Statt in einem schnieken Hafen anzulegen, halten wir ab jetzt Ausschau nach irgendeiner passenden Anlegemöglichkeit. Ein Ponton, eine alte Schute, ein abgestelltes Schiff. Die Leute sagen dann schon, ob’s recht ist oder nicht. Man sollte allerdings immer nach Löchern im Boden oder fehlenden Stufen in Treppen Ausschau halten und beim „Gastgeber“/Ponton/vorher nach dem Preis fragen.

Der Höhepunkt: Das Eiserne Tor. Früher haben dort die Schiffer wegen der Strömung Blut geschwitzt. Flussauf mussten die Schiffe gezogen werden. Jetzt, wegen zwei mächtigen stromliefernden Staustufen, geschieht die Durchfahrt ganz relaxed. Weil wir’s doch nicht genau wissen und starker Wind aufkommt, ankern wir 3 Tage im Schutz einer Insel. Schilf, alle möglichen Vögel, 100e Kormorane, abgestorbene Bäume sind unsere Nachbarn. Danke lieber Wind: Wir rasteten in an einer paradiesischen Insel in unberührter Natur, mit wildem Gewitter….

Natürlich ist die Durchfahrt zwischen senkrechten Felswänden ein Erlebnis. Und das Schleusen in den riesigen Kammern auch. 300m lang, 40m breit. Ab jetzt darf die Donau fließen, wo sie will. Grüne und rote Bojen, oft kilometerweit entfernt, weisen die Fahrrinne.  Wir ankern meist. Fischer kommen längseits, Begegnungen mit netten Menschen. Warum wurde uns zu Hause berichtet, man dürfe nur im Pulk die untere Donau befahren und müsse sich vor dem Ankern hüten, der diebischen Leute wegen? Nichts, aber auch gar nichts stimmte.

Bukarest. 40° Hitze. Wir möchten die Stadt besuchen. In einem Seitenarm bei Giurgiu legen wir an einem der Wracks an und nehmen am anderen Tag den Kleinbus  in die Hauptstadt. Prachtstraßen, Glaspaläste weltumspannender Firmen, Hochhäuser im Zentrum. Höhepunkt das „Haus des Volkes“. Gigantisch, es sprengt alle Maße. Stein gewordener Wahnsinn eines Politikers. Wieder zurück zum Wrack. Abendessen in einem benachbarten Restaurantschiff. Der alte Kellner verdient 150 Euro im Monat. Auch wenn alles nur halb so teuer ist wie bei uns, das ist ein Hungerlohn.

Als wollte die Donau nicht zum Schwarzen Meer, wendet sie sich nach Norden. Hügel begleiten sie, Kirchtürme mit geschwungenen, blauen goldglänzenden Kuppeln, Pferdegespanne, schwere, geteerte Ruderkähne begegnen uns. Wir ankern und besuchen mit MICRO EOS ein Lipowaner-Dorf. Nur freundliche Leute, Gerdi singt mit ihnen russische Lieder. Der junge Pfarrer erzählt über die Dorfgeschichte. Wegen ihres Glaubens vom Zaren aus Russland vertrieben siedelten sie hier. Wir laden die Buben aufs Schiff ein. Sie benutzen es als Sprungbrett und ich darf ihren schweren Kahn rudern. Schöne Zigeuner-Pferde sind am Ufer angebunden. Weiße Gänse schnattern…Friede überall.

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Cernavoda. Im Handelshafen legen wir wieder an einem Wrack an. Vorsichtig  gehen, Löcher im Boden, Rost überall.  Plattenbauten, die Bewohner sitzen auf wackeligen Schemeln vor den Häusern. Arm, ich möchte da nicht fotografieren. Aber ein Mitarbeiter der „Werft“ fährt uns kreuz und quer in die Stadt, um  eine Dichtungsmasse fürs Deck zu finden. Überaus freundliche Menschen, aber sehr arm, wenn wir der Maßstab sind.

Braila, Galati, große Städte, sie werden von Seeschiffen angesteuert. Irgendwelche Pontons zum Anlegen. Das schaut ganz einfach aus. Auf gleicher Höhe das Ponton gegen die Strömung schräg anfahren. Klappt auch immer bis zum letzten Meter. Dann kehrt sich manchmal der Strom um und vorbei ist der Anleger. Auf ein neues in umgekehrter Richtung. Ab jetzt keine Brücke mehr. Wir können den Mast stellen. Leider steht kein kleiner Kran zur Verfügung. Es gibt keine Infrastruktur für solch kleine Boote. Schließlich stellt ein 100-Tonnen-Schwimmkran in Galati bei der Navron-Werft  ganz feinfühlig unseren Mast. 3 Leute arbeiten, 5 beobachten und geben Tipps. Jetzt begegnen wir Seeschiffen, die bis Braila die Donau hochfahren.

Ukraine: Wachtürme begleiten das Ufer. Die meisten verrostet und offensichtlich ungenutzt. Auf einem ein Soldat mit geschultertem Gewehr. Bewegungslos sieht er zu uns. Ich winke. Er winkt zurück. Was mag er denken? Sieht er in uns einen Feind? Ist er traurig, weil ihm das andere Ufer verschlossen bleibt? Reni, der große ukrainische Hafen bleibt uns verschlossen, weil kein Einklarierungshafen. Nun teilt sich die Donau. Der linke, Chilia-Arm würde uns in die Ukraine führen. Die politische Situation veranlasst uns aber, den Sulina-Arm zu befahren. Ihn nutzen auch die Frachtschiffe.

Wir sind im Donau-Delta. Auf beiden Seiten Urwald. Tulcea, die quirlige Stadt am großen Donaubogen.Delta-Touristik wird angeboten. EOS schaukelt in der „Marina“, Marina ist übertrieben. Wir liegen an einem alten Ponton. Die vorbeifahrenden Schiffe lassen EOS arg schaukeln. Vom Hügel nebenan bietet sich ein weiter Blick aufs Delta. Bäume, Wasser, und ganz im Hintergrund das Schwarze Meer. Noch einmal teilt sich die Donau. Der Svântu-Gheorghe-Arm ließe uns aber wegen einer Sandbarre nicht ins Schwarze Meer. So fahren wir weiter auf dem künstlichen, eingedeichten, geraden Sulina-Arm. Bei Crisan zweigt die Alte Donau ab.

Wir folgen ihr bis „Mila 23“. Der Einfachheit halber hat man Orte mit der km-Entfernung zum Meer gekennzeichnet. Wie üblich, Leinen fest wo es geht und niemand etwas dagegen hat. Winzige, blau gestrichene Holz-Häuser -und immer mit Gärten davor- säumen das Ufer. Storchennester auf jeder Laterne. Gemüse kaufen wir von einer Bäuerin über den Zaun. Der russisch-orthodoxe Gottesdienst in der kleinen Kirche nimmt kein Ende.  Besucherzahl. Fünf mit uns. MICRO-EOS, unser Schlauchboot, trägt uns auf einen der vielen Seen mit glasklarem Wasser und Seerosen. Wunderbar, sich treiben zu lassen und zu beobachten, welche Vielfalt an Fauna und Flora in diesem Reich unter der Wasseroberfläche und knapp darüber zu sehen ist. Reiher, Kranich, Enten, und andere Wasservögel halten sich auf Distanz. In Crisan essen wir vorzüglich Fischsuppe und Fischspezialitäten und buchen mit zwei Rumänen (Hermannstadt)  einen Ausflug nach Lethea, einem kleinem Lipowaner-Dorf.

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Mit höchster Geschwindigkeit und übler Lautstärke rast der Kahn durch die engen Kanäle. Vögel fliegen weit vor uns auf. Das Schilf wiegt sich kräftig in der Bugwelle. Diese Art der Besichtigung passt ganz und gar nicht zu dieser ruhigen, friedlichen Landschaft. Das Dorf versteckt sich zwischen dem Schilf. Diese, aus russischen Gebieten vertriebenen altläubigen, orthodoxen Christen fanden in diesem unwegsamen Gebiet ihren Frieden und leben heute noch ohne Technik und Fernseher, ohne Waschmaschine oder Elektroherd. Man kocht und räuchert im Freien, mit Holz….

Der Wind bläst sehr kräftig aus Osten. Ein- und Ausfahrt in den Donaustrom sind geschlossen. Seeschiffe ankern im Fluss. Wir verziehen uns zwischen Schilf und lassen den Wind über uns heulen. Fischer holen ihren Fang ein und schenken uns drei Hechte. Das Wasser ist klar und badewarm. Auch dieser Starkwind legt sich und wir brechen nach Sulina auf. Den dicht belegten Kai müssen wir plötzlich nach einem Tag wechseln, weil ein Seeschiff zum Einklarieren anlegt. Sulina, die Stadt am Ende der Donau, keine Straße führt dort hin. Die Promenade säumen schöne Häuser. Dahinter zeigt sich bittere Armut, ein verkommenes Altenheim…Nach der dritten Straße nur noch Schilf. Der Kahn hinter uns ist mit Melonen voll beladen. Die beiden Männer verkaufen direkt vom Schiff und schlafen auf den Früchten. Am Morgen ist alles verkauft. Auch hier überprüft ein wohl uniformierter Beamte unsere Papiere. Fast wie eine Zeremonie. Mit einer Verbeugung lädt er mich ein, Platz zu nehmen. Würdevoll lächelnd bereitet er ein Formblatt vor und ruft die passende Seite auf dem Bildschirm auf. Das dauert und ich bin fasziniert. Schließlich setzt er einen Stempel und seine Unterschrift unter die Papiere. Auch ich bereite unseren EOS-Schiffsstempel vor und ziere die Papiere ebenso. Mit einem Handschlag überreicht er mir die Unterlagen. Ein Erlebnis der besonderen, einfachen Art. Auch Beamtenstuben haben etwas zu bieten. Am Ufer steht  die Kilometerzahl „0“. Im Laufe der Zeit hat sich die Donau aber immer weiter ins Schwarze Meer vorgeschoben. Diese letzten Seemeilen nehmen wir am 8. September 2014 ganz früh am Morgen unter den Kiel. Als roter Ball steigt die Sonne hoch. Kurz vor der Mündung zeigt sich beim Leuchtturm unser erster und einziger Pelikan. Und dann: Das Wasser beginnt zu pulsieren! Die Meeresdünung erreicht uns. Wir haben das Schwarzen Meer nach 2500 km und 80 Tagen erreicht. Brandung, Seegang, Salzwasser, Meer.- und 3 Delphine!

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„Ich blicke zurück“. Es folgen noch:

  • Vom Schwarzen Meer nach Korfu
  • Von Korfu zur Rhônemündung
  • Von der Rhônemündung zum Bodensee

Orgelkraft und Steinhandwerk

 

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Budapest, Montag 17 Uhr, St Stephen’s Basilica:

Ich besuche das Orgelkonzert in diesem prunkvollen und so angenehm kühlen „Gotteshaus“. Der Organist zeigt, was die Orgel (auch an Lautstärke) kann und die Sopranistin leistet ihren stimmgewaltigen Beitrag. Wunderbar, wie eine Stimme diesen großen Raum füllen kann: Aber der Organist? Wird er nicht auf Dauer taub?

Was macht man, wenn man der Musik lauscht? Ich sehe auf den Boden: Kunstvolle geometrische Figuren, passgenau eingefügt und fein poliert. Eine handwerkliche (stille) Meisterleistung, ebenso wie Orgelspiel und Gesang.

Sonntagsruhe kann man nicht fotografieren

Sonntag am Vormittag.

Die Metro M3, eine ältere Linie, bringt mich von außerhalb enorm laut und schnell mitten in die Stadt ( Die andere, M2 dagegen ist supermodern).  Über die Erszebet- Brücke und dann hoch zur Citadelle, das ist schweißtreibend bei dieser Hitze. Als Bergfreund muss man ja auf die höchste Erhebung, auch wenns nur geschätzte 100m sind. Umfassende Sicht auf die Stadt in alle Richtungen. Unten im Strom liegen die großen Kreuzfahrschiffe im Dreier- Päckchen. Man begegnet den Fahrgästen dann an den „Sehenswürdigkeiten“ und den besonderen Plätzen. Im Großen Dom mit der riesigen Kuppel komme ich gerade zu einer Messe.  Dann nehme ich die Nebenstraßen und genieße einen Green Apple Saft, kalt mit viel Eis. Leer sind diese Straßen am Sonntag. Die vielen Behörden und Niederlassungen sind geschlossen. Immer dann diese schöne sonntägliche Ruhe. Ich kann sie nicht im Bild festhalten. Was sagt schon ein Leere- Straße- Bild aus? Am Nachmittag nehme ich wieder den Ratterraser M3 und fahre zur Gyöngyösi utca zurück. Die Paddler auf dem langen Wasserarm hinterm Hafen tragen noch ihre Endkämpfe aus.

Die Bilder

und nochmal Bilder

Nach Budapest

 

Die Flusskarte

Weiter wie immer, rote Bojen rechts, grüne Bojen links. Dann tauchen in der Ferne Häuser auf, Budapest ist nicht mehr weit. In einer Marina tanken wir, kommen aber wegen des Tiefgangs nicht in den Hafen. Wir wechseln die Donauseite und belegen in der neuen Wiking Marina. Die Leute dort sind komisch und geben uns keinen Marina- Schlüssel. Auch den Club- Sanitärraum dürfen wir nicht nutzen. Statt dessen einen alten Container. Aber einen Pool haben wir.

Anderntags rasen wir mit Metro M3 in die Stadt. Meine Freunde kaufen Fahrkarten. Ihre Reise geht morgen zu Ende. Schade, war eine fröhliche gemeinsame Zeit. Danke, dass Ihr mich begleitet habt. Wir 3 haben die Sache gut gemeistert! Anderntags nochmal Stadt. Gellert Bad, das berühmte Thermalbad und die Markthalle. Beides ein Erlebnis. Dann am dritten Tag zum Bahnhof Keleti und weg ist der Zug. Etwas Einsamkeit. Jetzt fahr ich einen Kilometer die Donau aufwärts. Der „Prestige Jachtclub“ klingt zwar abgehoben, ist aber das Gegenteil. Preiswert, freundlich und sehr gut in Schuss. Da fühle ich mich wohl. Gerdis Ankunft verzögert sich, sie muss noch eine Probe abwarten. Sonntag: Nochmal Stadt. Siehe nächsten Blog.

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Die Bilder